German UPA | Beitrag vom 04.05.2020 –
Maßnahmen für sicheren F2F Research nach dem Ende des Covid-19 Lockdowns
Covid-19 ist nicht das Ende von lab-basiertem UX Research. Der weltweite Lockdown hat zwar unsere Möglichkeiten für F2F Research in den vergangenen Wochen nahezu vollständig zum Erliegen gebracht, ein Ende des Lockdowns wird aber schrittweise kommen und die Phase der „neuen Normalität“ wird beginnen. Wir müssen Konzepte entwickeln, wie wir unter diesen veränderten Rahmenbedingungen sichere Labinterviews durchführen können. Wir haben eine Reihe von praktischen Maßnahmen zusammengestellt und sie von Studienteilnehmern hinsichtlich Sicherheitsgefühl und Teilnahmebereitschaft an Studien bewerten lassen.
Die neue Normalität
In fast allen Ländern ist derzeit ein umfassender Lockdown in Kraft, der klassische lab-basierte Nutzerinterviews derzeit unmöglich macht. UX Professionals haben in dieser Situation schnell reagiert und ihren Research-Bedarf, so weit wie möglich, auf Remote-Methoden umgestellt. Unsere Holding ReSight Global bietet zudem eine Tracking-Karte an, die anzeigt, welche Forschungsansätze derzeit in 22 wichtigen globalen Märkten möglich sind. Die Informationen werden wöchentlich von unseren Kollegen und Partnern aktualisiert, um die Planung globaler Projekte zu unterstützen.
Mittlerweile ist aber auch abzusehen, dass in den kommenden Wochen die ersten Länder die Maßnahmen wieder lockern werden bzw. dies bereits getan haben. Das öffentliche Leben wird sich teilweise wieder normalisieren, die Gefahr durch Covid-19 wird uns aber noch auf Monate begleiten. Wir werden Wege zu einer „neuen Normalität“ finden müssen.
Für die Zeit nach dem Lockdown müssen wir Maßnahmen finden, die uns wieder die Durchführung von Lab-Interviews ermöglichen und gleichzeitig unsere Studienteilnehmer, unsere Kunden und unsere Kollegen vor einer Ansteckung schützen. Dies ist vor allem für solche Produkte wichtig, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht für ein Remote-Setting eigenen (e.g. physisches User Interface, hohe Vertraulichkeit, komplexes Test Setting, etc.).
Praktische Maßnahmen für sicheren F2F Research
Wie können wir eine sichere Studioumgebung für F2F Interviews schaffen? Und vor allem, welche Maßnahmen sind aus Sicht von Testpersonen wichtig?
Wir haben eine Liste an potenziellen Maßnahmen zusammengestellt und habe diese durch Panelisten für qualitative Studien bewerten lassen. In Kooperation mit unserem Rekrutierungspartner mercatus est, Wir haben über 600 repräsentative Studienteilnehmer in Deutschland befragt.
Wir wollten zunächst wissen, welche der Maßnahmen am wichtigsten für das persönliche Sicherheitsgefühl und die Teilnahmebereitschaft an Studien sind.
Die Ergebnisse zeigen, dass Studienteilnehmern vor allem grundlegende Hygienemaßnahmen wichtig sind. Hierzu gehören Händewaschen, Einhaltung des Mindestabstandes und regelmäßige Desinfektion von Oberflächen. Weitergehende Maßnahmen, wie z.B. Trennwände im Interviewraum oder sogar eine räumliche Trennung von Testperson und Interviewer werden dagegen als wenig relevant angesehen.
Zusätzlich haben wir die Teilnehmer gefragt, welche weiteren Maßnahmen ihnen wichtig wären.
Auch wenn die Fallzahlen hier niedrig sind, haben die Teilnehmer trotzdem weitere wichtige Ideen. Hierzu gehören Abstandsmarkierungen bzw. Trennungen im gesamten Studiobereich (ähnlich wie derzeit im Einzelhandel), regelmäßiges Lüften der Räume und die Bereitstellung von Handdesinfektion in allen wichtigen Räumen.
Schließlich haben wir gefragt, wie hoch die Teilnahmebereitschaft der Panelisten an Studien mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen ist und ob Sie sich selbst zu einer Risikogruppe zählen würden.
Die gute Nachricht: die große Mehrheit (80%) der Studienteilnehmer hat eine genauso hohe Teilnahmebereitschaft wie vor der Corona-Krise. Nur 10% sagen, ihre Bereitschaft ist niedriger als vorher und sogar nur 1% sagt, dass sie vorläufig nicht teilnehmen würden. Zumindest aus Teilnehmersicht steht Lab-Interviews also nichts im Wege!
Zu einer Risikogruppen würden sich ca. 20% der Panelisten zählen. Dies bedeutet, dass potenziell ein Fünftel der Teilnehmer ausfällt, sofern entsprechende Auschlusskriterien in den Rekrutierungsprozess aufgenommen werden (siehe unten).
Rekrutierung und Studiendesign anpassen
Auch bei Rekrutierung und Studiendesign sollten Maßnahmen getroffen werden, um das allgemeine Infektionsrisiko für alle Beteiligten weiter zu minimieren. Vor allem der Ausschluss von Personen aus Risikogruppen sollte dabei zunächst berücksichtigt werden. Dies betrifft z. B.:
- Ältere Personen (60+ Jahre) und Personen mit Vorerkrankungen (u.a. Herz-Kreislauf, Lungenerkrankungen etc.)
- Personen, die in den Tagen vor einem Interview Erkältungs- / Grippesymptome zeigen
- Personen, die in den 14 Tagen vor einem Interview in einem Risikogebieten waren
Bestimmte Gruppen und Maßnahmen werden ohnehin durch die offiziellen Sicherheitsmaßnahmen abgedeckt. Hier sollten also zunächst die offiziellen Vorschriften berücksichtigen werden.
Weitere Maßnahmen, die bei der Planung einer Studie zu berücksichtigen sind, können sein:
- Kürzere Interviewdauern bevorzugen, um lange Kontaktzeiten zu vermeiden (größere Testumfänge können auf größere oder mehrere Stichproben verteilt werden)
- Größere zeitliche Abstände zwischen Interviews, um Desinfektionsmaßnahmen zwischen den Interviews durchführen zu können und Kontakt zwischen Studienteilnehmern zu minimieren
Schritte zu einem Hygieneplan
Wir empfehlen im Vorfeld einer Lab-Studie einen konkreten Hygieneplan zu erstellen, der die geplanten Maßnahmen beschreibt. Folgende Schritte sollten hierbei berücksichtigt werden:
- Die aktuellen offiziellen Hygienevorschriften überprüfen. Diese können sich kurzfristig ändern, insofern sollten sie vor jeder Studie konsultiert werden.
- Einen projektspezifischen Hygieneplan auf Basis der ausgewählten Maßnahmen erstellen.
- Studienteilnehmer und Stakeholder rechtzeitig über die geplanten Maßnahmen vor Ort informieren. Im Vorfeld ein entsprechendes Informationsblatt (1 Seite) versenden.
- Eine Checkliste erstellen, um die Durchführung der Maßnahmen vor Ort sicherzustellen.
- Die durchgeführten Maßnahmen nach den Interviews dokumentieren.
Keep calm and keep on researching!
UX Researcher stehen in besonderer Verantwortung für die Sicherheit von Studienteilnehmern und des Projektteams bei der Durchführung von Lab-Interviews. Die Erstellung eines Hygieneplans ist deshalb ein wichtiger Schritt zur neuen Normalität für F2F Research in Zeiten von Covid-19. Wenn Du erste Erfahrung damit gemacht hast, teile sie mit der UX Community!
Der Autor
Remigius Fierley
Remik verfügt über 17 Jahre praktische Erfahrung in der UX-Forschung und -Strategie und hat in dieser Zeit eine große Anzahl von Kunden bei der humanzentrierten Innovation und Entwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen beraten. Remik hat einen M.A. in Kulturanthropologie, Wirtschaft und Geographie von der Universität Hamburg.