German UPA | Beitrag vom 28.11.2017 –
Nutzerfreundlichkeit im Fokus
Selten lernt man so viel, wie in dem kleinen Vorlesungssaal an der Hochschule Aalen am World Usability Day. Viele Interessierte lesen angeregt die wissenswerten Zeilen der aufgehängten Info-Plakate an der Wand. Dazwischen blinken bunte Lichter eines 3D-Druckers, der wie aus dem Nichts eine plastische Figur zaubert. Wortfetzen dringen durch den allgemeinen Trubel hindurch: „Ein gutes Nutzererlebnis schaffen“, „Gebrauchstauglichkeit erhöhen“, „der Fokus liegt auf dem User“. Über was unterhalten sich die Anwesenden?
Der Nachmittag am 9. November 2017 steht ganz im Zeichen der Bedeutung und Wichtigkeit von Usability und User Experience. Zum zweiten Mal findet der World Usability Day an der Hochschule Aalen statt. Unterstützt durch die German UPA (Berufsverband der Deutschen Usability und User Experience Professionals) und umgesetzt von der Hochschule Aalen in Zusammenarbeit mit der rocket-media GmbH & Co KG aus Dinkelsbühl, treffen sich Experten aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sowie Studierende der Hochschule Aalen zum fachlichen Austausch in entspannter Atmosphäre.
Moderatorin der Veranstaltung und treibende Kraft im Bereich Usability an der Hochschule Aalen ist Prof. Dr. Constance Richter. Gemeinsam mit Linda Alers von der rocket-media GmbH eröffnet sie das abwechslungsreiche Vortragsprogramm. Der Vorlesungssaal ist gut gefüllt. Nur noch wenige Plätze sind zwischen den gespannten Zuhörern frei. Zu Beginn empfängt der Rektor der Hochschule Aalen, Prof. Dr. Gerhard Schneider, die Anwesenden auf dem Campusteil Burren und hebt hervor, wie wichtig das Thema Nutzerfreundlichkeit heutzutage ist. Im Rahmen einiger Studiengänge der Hochschule Aalen werden bereits Vorlesungen zu Requirements Engineering, Service Engineering und Ergonomie gehalten. Zusätzlich bietet die Hochschule ab dem Sommersemester 2018 einen neuen Bachelorstudiengang „User Experience“ an. Constance Richter stellt daraufhin kurz die Themenschwerpunkte Informatik, Design, Psychologie, Wissenschaft, Produktentwicklung und Management vor, die in dem neuen Studiengang vereint werden. Neben ihrem bisherigen Studiengang Technische Redaktion ist sie ab nächstem Jahr auch für den neuen Bachelorstudiengang verantwortlich.
Dann beginnen die Vorträge mit dem ersten Beitrag von Carmen Hartmann-Menzel von rocket-media (Mitveranstalter des World Usability Days). Im Rahmen ihres Themas „Design Thinking = Nutzerzentrierte Gestaltung?“ stellt sie Vorgehensweisen vor, die „die Bedürfnisse von Nutzern treffen aber auch technisch und ökonomisch haltbar sind“. Dabei dient das Design Thinking der Lösung von Problemen in Innovationsprozessen. Eine dominante Rolle spielt dabei der Bau von Prototypen. Carmen Hartmann-Menzel erklärt, dass mit dieser Vorgehensweise „Dinge greifbar gemacht werden und dadurch leichter verständlich“ für den User sind. Wie bei allen Themen rund um Usability steht dabei der Nutzer im Mittelpunkt. Es ist überaus wichtig, „dem Nutzer eine Stimme zu verleihen“, bekräftigt sie.
Die gleiche Meinung vertritt auch Wolfram Nagel von der TeamViewer GmbH. In seinem Vortrag zum Thema „Content Design und UI Architektur für Multiscreen-Projekte“ stellt er die Frage: Wie werden Nachrichten auf verschiedenen digitalen Kanälen optimal dargestellt? Dazu hat er eine eigene Strategie entwickelt, die an das Atomic Design von Brad Frost angelehnt ist. Dabei wird ein festgelegter Content Flow durchlaufen, in dem zuerst der Inhalt generiert, dann in einer Zentrale abgespeichert und anschließend responsiv ausgegeben wird. Mit dieser Vorgehensweise werden die einzelnen Inhalte zuerst strukturiert und in größere Inhaltspakete zusammengefasst. Das erspart den Content Designern auf Dauer viel Zeit, Geld und Kapazitäten.
Von denselben Vorteilen profitiert man auch beim User Research. Im nächsten Programmpunkt „User Research? Nein danke! – Widrigkeiten im User Research Projektalltag und wie man ihnen begegnet“, stellt Dr. Markus Weber verschiedene stichhaltige Argumente vor, mit denen man Unternehmen von den Vorteilen von User Research überzeugen kann. Seine Kernaussage ist, dass es nicht darum geht, bestehende Lösungen zu ändern, sondern bestehende Probleme zu erkennen und zu beseitigen. Oft „wissen wir nicht, dass wir etwas nicht wissen“, erklärt Dr. Weber. Daher ist es wichtig, Sensibilität zu entwickeln und den richtigen Zeitpunkt auszuwählen, um neue Ideen und Veränderungen zu initiieren. Dabei sind Erfahrungen wirksamer als Argumente. „User Research ist viel mehr als Fragen stellen“, vermittelt er. Durch gezielte Anwenderbesuche lernt man, wie die User in ihrer Lebens- und Arbeitswelt agieren. User Research besteht also aus circa 80 Prozent Beobachtung und nur 20 Prozent Befragung.
Mit seinem Vortrag „Gute UX durch smarte Interaktionen“ rundet Moritz Türck das interessante Vortragsprogamm ab. Er erläutert dem Publikum, welchen Vorteil smarte Interaktionen für den Nutzer versprechen. Oft entsteht große Verwirrung bei Usern, wenn Interaktionsfelder auf Internetseiten plötzlich verschwinden oder verschieden dargestellt werden. Für eine gute User Experience sollen die „physikalischen Grundgesetze nicht verletzt werden“, stellt Moritz Türck fest. Ein Button kann zum Beispiel anzeigen, was gerade im Hintergrund passiert: „Speichern“, „Gespeichert“, „Fehlgeschlagen“. Da die Aufmerksamkeit bereits sowieso auf dem Button liegt, wenn man ihn anklickt, ist es nur logisch, dass er den User gleichzeitig informiert, welchen Status sein Vorgang im Moment hat. Er schließt mit der Aussage ab, dass sich ähnliche Objekte immer gleich verhalten und derselben Reihenfolge zugeordnet sein sollen.
Nachdem der offizielle Teil der Veranstaltung endet, folgt nun ein geselliges Get-Together, bei dem auch für das leibliche Wohl ausgezeichnet gesorgt ist. Die Besucher finden sich im Usability-Labor der Hochschule Aalen ein, um sich in entspannter Atmosphäre auszutauschen und Usability in der Praxis erleben zu können. Bei erfrischenden Getränken und herzhaften Canapés resümiert die Moderatorin Constance Richter. Sie freut sich, dass der diesjährige World Usability Day in Aalen ein voller Erfolg geworden ist und man wachsendes Interesse verzeichnen kann. Mit großer Vorfreude blickt das gesamte Team auf den nächsten World Usability Day am 8. November 2018, bei dem auch das neue Usability Labor der Hochschule Aalen eingeweiht werden soll.
Weitere Informationen zum Word Usability Day unter: www.wud-aalen.de
Ein Bericht von Patricia Heichele
Bilder von Kai Binnig