German UPA | Beitrag vom 14.08.2025
Design Tokens: Die gemeinsame Sprache von UX und Development

Design Tokens revolutionieren derzeit die Zusammenarbeit zwischen Design und Entwicklung – nicht als Buzzword, sondern als handfeste Grundlage für Skalierbarkeit, Konsistenz und Effizienz in komplexen digitalen Produktlandschaften. Jonas Ulrich und Daniel Ley von Kickstart DS zeigen, wie diese unscheinbaren Datenbausteine zum entscheidenden Faktor für erfolgreiche Designsysteme werden – und warum gute Tokens mehr sind als ein Farbnamen im JSON-Format.


Auf einen Blick

Design Tokens sind die unverzichtbaren, semantisch strukturierten Datenbausteine, die moderne Designsysteme skalierbar, konsistent und effizient machen – vorausgesetzt, sie werden strategisch eingeführt und kontinuierlich gepflegt.

  • Design Tokens fungieren als „Single Source of Truth“ für Designentscheidungen und ermöglichen konsistente UI-Erlebnisse über Teams, Plattformen und Technologien hinweg.
  • Die semantische Struktur ist entscheidend: Erst durch durchdachte Taxonomien (Base, Semantic, Component Tokens) entfalten Tokens ihr volles Potenzial in Bezug auf Wiederverwendbarkeit und Verständlichkeit.
  • Technische Umsetzung erfordert Tools wie Style Dictionary und Tokens Studio, wobei Automatisierung hilfreich ist – aber kein Ersatz für teamübergreifende Kommunikation.
  • Design Tokens ermöglichen Multi-Theming, Accessibility und White-Labeling, da sie kontextabhängige Anpassungen systematisch und skalierbar abbilden können.
  • UX-Teams sollten frühzeitig klare Ziele, Naming Conventions und Feedback-Loops definieren, um Wildwuchs zu vermeiden und echte Kollaboration mit Devs und Stakeholdern zu fördern.

Wenn Blau nicht einfach nur Blau ist: Warum Design Tokens so wichtig sind

Design Tokens sind längst kein Nischenthema mehr. In der täglichen Arbeit von UX-Teams, Entwickler*innen und Designsystem-Verantwortlichen stellen sie sich als zentrale „Single Source of Truth“ für Designentscheidungen heraus. Daniel Ley und Jonas Ulrich, die Gründer von Kickstart DS, einem Open-Source Designsystem-Kit, arbeiten seit über drei Jahren fokussiert an der Entwicklung von nachhaltigen, produktionsnahen Designsystem-Lösungen. Ihre Devise: „Design Tokens sind die subatomaren Bausteine eines funktionierenden Designsystems – nicht optional, sondern essenziell.“

Und es geht längst nicht mehr nur um Farben: Von Spacing über Typografie bis hin zu Animationseigenschaften bilden Tokens die Basis für ein konsistentes Design über Plattformen, Teams und Technologien hinweg – von iOS bis zur Smartwatch.

Was genau sind Design Tokens?

Zwei führende Definitionen rahmen das Thema ein:

  • W3C Design Token Community Group:
    „The single source of truth to name and store design decisions distributed so teams can use it across design tools and coding languages.“
  • Adobe Spectrum Design System:
    „Design Tokens are all the values needed to construct and maintain a design system [...] represented as data. They are used in place of hard-coded values.“

Jonas bringt es auf den Punkt: „Es geht darum, harte Werte zu abstrahieren – ein Blau ist nicht einfach nur #1971F5, sondern zum Beispiel ‚blue-400‘ oder noch besser ‚primary-color‘. Und genau diese Abstraktion sorgt für Wiederverwendbarkeit, Skalierbarkeit und letztlich bessere Zusammen

Warum Design Tokens den Unterschied machen

Jonas und Daniel ordnen die Relevanz von Tokens in vier konkrete Kategorien ein:

  1. Effizienz
    Änderungen an zentralen Designwerten (z. B. Farben, Spacings) wirken sich systemweit aus – ohne manuelles Suchen und Ersetzen.
  2. Konsistenz
    Branding und User Experience bleiben über alle Plattformen hinweg konsistent, weil alle dieselbe Sprache sprechen – vom Marketing bis zum Dev-Team.
  3. Skalierbarkeit
    Neue Plattformen? Neue Features? Tokens lassen sich mühelos erweitern – ohne bestehende Strukturen zu zerschießen.
  4. Zusammenarbeit
    Eine gemeinsam

Arten von Design Tokens – und warum es auf die Details ankommt

Design Tokens sind keineswegs nur „Farbpaletten im Code“. Jonas und Daniel unterscheiden konkret zwischen:

  • Base Tokens: Rohwerte wie #FFFFFF, 16px, 500ms
  • Semantic Tokens: Kontextbezogene Zuordnung, z. B. color-primary, spacing-content
  • Component Tokens: Token, die einer spezifischen Komponente zugeordnet sind, z. B. button-background-color

Ein spannender Insight: Die eigentliche Magie liegt nicht in den Farbwerten, sondern in deren semantischem Mapping – z. B. dass primary-background auf blue-400 verweist. Diese Abstraktion macht den Unterschied zwischen einem Patchwork-Stil und einem wartbaren, skalierbaren System.

Technische Umsetzung: Von Figma bis Style Dictionary

Design Tokens sind keine Design-only-Spielerei. Die Architektur ist in der Regel so aufgebaut:

  1. Source of Truth: Meist eine oder mehrere JSON-Dateien, z. B. aus Figma exportiert.
  2. Transformation: Tools wie Style Dictionary (Open Source, von Amazon) wandeln Tokens für jede Plattform um – z. B. in SCSS, iOS .h-Dateien, Android XML.
  3. Integration: Entwickler nutzen die Tokens direkt als CSS-Variablen oder importieren sie als Konfigurationsdateien.

Ein wichtiger Punkt: Automatisierung ist hilfreich, aber kein Ersatz für Kommunikation. Daniel warnt: „Zu viel Automatisierung kann toxisch werden – vor allem, wenn der Prozess unkontrolliert läuft.“

"Tokens fördern halt wirklich eine bessere Zusammenarbeit und wir können auch dahin gehen, dass die Zusammenarbeit nahtloser wird und man halt eine gleichsame und verständlichere Sprache miteinander spricht."

Jonas Ulrich

Der semantische Deep Dive: Warum Taxonomie entscheidend ist

Ein Designsystem ohne saubere Token-Taxonomie ist wie ein Lexikon ohne Alphabet. Die Struktur, wie Tokens benannt und kategorisiert werden, ist essenziell:

  • Klare Namenskonventionen (z. B. cta-button-background)
  • Sinnvolle Unterteilungen nach Komponente, Kontext, Modus (z. B. Light/Dark Theme, Brand A/B)
  • Abbildung von Designkonzepten wie Spacing-Strategien (inset-sm, stack-md)

Jonas nennt das „eine semantische Topographie, die Teams Orientierung bietet“.

Barrierefreiheit, White-Labeling, Multi-Brand: Token können (fast) alles

Design Tokens sind auch ein entscheidender Baustein für:

  • Accessibility by Design: Farbkontraste, Lesbarkeit, Responsiveness – alles lässt sich systematisch absichern.
  • Multi-Theming: Light, Dark, High-Contrast – mit semantischen Mappings kein Problem.
  • White Labeling & Multi-Brand: Token-Abstraktionen ermöglichen das Aufsetzen mehrerer Marken mit einem gemeinsamen Fundament.

Das Schlüsselwort: semantische Beziehungen zwischen Tokens, z. B. „Textfarbe bei dunklem Hintergrund“.

Risiken & Nebenwirkungen: Wenn Tokens zum Selbstzweck werden

Ein kritischer Punkt von Daniel:

„Man kann sich auch verlieren – Tokens sind kein Allheilmittel. Sie müssen echten Wert schaffen, sonst wird’s schnell Overengineering.“

Besonders wichtig: Auch wenn Figma heute die Vorherrschaft hat, Tools kommen und gehen. Sketch, InVision, XD – alle galten mal als gesetzt. Jonas warnt: „Wer seine Systematik zu eng an ein bestimmtes Tool koppelt, riskiert Abhängigkeit.“

 "Zu viele Design-Tokens verderben auch schnell mal den Brei"

Daniel Ley

Tool-Empfehlungen und Praxisressourcen

Einige Tools, Frameworks und Quellen, die Jonas und Daniel als besonders hilfreich erachten:

  • Style Dictionary – Open Source Token-Transformer von Amazon
  • Tokens Studio (Figma Plugin) – für das Mapping & Exportieren von Tokens
  • Storybook + Accessibility Addons – für Komponentendoku und A11y-Checks
  • Nathan Curtis Blog (medium.com/@nathanacurtis) – tiefgehende Analysen zu Token-Taxonomien
  • Design Tokens W3C Community Group – Standardisierung & JSON-Schema
  • ROI-Rechner von Knapsack – Argumentationshilfe gegenüber Stakeholdern

Praxis-Tipps für UX Professionals: So gelingt der Einstieg

Wenn du Tokens in deinem Unternehmen einführen oder optimieren willst, beachte folgende Empfehlungen:

  1. Starte mit einem klaren Ziel: Tokens sind kein Selbstzweck. Kläre, was du erreichen willst – z. B. Cross-Plattform-Konsistenz, bessere Dev-Zusammenarbeit oder Multi-Brand-Support.
  2. Gemeinsam starten: Tokens sind kein Designer-Only-Projekt. Hole Devs, Brand-Verantwortliche und Accessibility-Teams an einen Tisch.
  3. Beginne mit semantischen Farben & Spacing: Farben und Abstände sind die häufigsten Pain Points – hier erzielt man schnellen Mehrwert.
  4. Definiere Naming Conventions frühzeitig: Nichts ist schlimmer als Token-Chaos. Leg Struktur, Syntax und Tiefe klar fest.
  5. Testen, dokumentieren, iterieren: Nutze Tools wie Storybook, dokumentiere gut sichtbar und plane bewusst Feedback-Loops ein.
  6. Automatisierung ist kein Ersatz für Dialog: Tools helfen – aber sie ersetzen nicht das Gespräch über semantische Bedeutungen und Designphilosophie.

Fazit: Tokens sind nicht das Ziel – sondern der Weg zur besseren Zusammenarbeit

Design Tokens sind weit mehr als ein Trend. Sie ermöglichen eine gemeinsame Sprache zwischen Disziplinen, senken den Pflegeaufwand, steigern die Konsistenz und machen Design skalierbar. Aber sie verlangen Sorgfalt, Abstimmung – und vor allem: echte Zusammenarbeit.

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