German UPA | Beitrag vom 27.08.2025 –
Remote Empathy-Workshops meistern: So gelingt nutzerzentriertes Denken im virtuellen Raum
Auf einen Blick
Virtuelle Empathy-Workshops ermöglichen es interdisziplinären Teams, echte Nutzerperspektiven zu verstehen und in produktrelevante Entscheidungen zu überführen – vorausgesetzt, sie sind gut vorbereitet, strukturiert moderiert und konsequent nachbereitet.
- Empathy-Workshops brechen Silos auf und fördern ein gemeinsames mentales Modell der Nutzerbedürfnisse – auch remote.
- Eine durchdachte Vorbereitung (inkl. Pre-Tasks, Agenda, Technik-Check) ist entscheidend für den Erfolg und macht 70 % des Workshops aus.
- Kreative Methoden wie Reverse Brainstorming oder Storyboarding helfen, echte Empathie zu erzeugen und nutzerzentrierte Perspektiven zu entwickeln.
- Ein klarer Ablauf mit definierten Phasen, Rollen und Regeln sorgt für Struktur, Sicherheit und effektive Zusammenarbeit im virtuellen Raum.
- Nachbereitung, Dokumentation und Feedback sichern die Wirkung und schaffen nachhaltige Orientierung für die Produktentwicklung.
Der Lead – Was, wer, wie, warum?
Virtuelle Empathy-Workshops sind das UX-Tool, das interne Silos aufbricht und echte Nutzerbedürfnisse ins Zentrum rückt – besonders dann, wenn interdisziplinäre Teams remote zusammenarbeiten. Leila Alavi, erfahrene UX-Researcherin und Facilitatorin, zeigt in ihrem Workshop-Tutorial, wie Empathie im digitalen Raum entsteht, wie Vorbereitung und Moderation gelingen – und warum echte Veränderung nur dann passiert, wenn alle ein gemeinsames mentales Bild vom Nutzer entwickeln.
"Und wir denken, wir sind uns alle einig weil es steht ja klar auf Papier, aber was in unseren Köpfen abgeht ist möglicherweise was ganz anderes."
Der Nutzen: Warum ein Empathy-Workshop oft der entscheidende Hebel ist
In der Produktentwicklung kennen wir alle die Diskussionen um Features, Roadmaps und technische Machbarkeit. Aber viel zu selten geht es um die Frage: Fühlt sich der Mensch am anderen Ende des Screens verstanden?
Hier setzen Empathy-Workshops an. Sie bringen UX-Research in die Köpfe – nicht nur auf die Slides. Und sie helfen, ein gemeinsames mentales Modell der Nutzer*innen zu entwickeln. Das ist kein Feelgood-Ziel, sondern essentiell, um aus Forschung echte Produktentscheidungen abzuleiten.
Remote ist anders – aber kein Hindernis
Ein Remote-Workshop kann unglaublich effektiv sein – wenn er gut strukturiert ist. Für Leila bedeutet das: Klarer Ablauf, definierte Rollen und ein durchdachtes Setup. Sie nutzt Zoom oder Teams für den Call und Mural für die Kollaboration. Wichtig ist eine maximale Dauer von 4,5 Stunden, inklusive Pausen.
Warum? Konzentration. Engagement. Ergebnisqualität.
Die Vorteile remote:
- Einfache Teilnahme über Standorte hinweg
- Keine Reisekosten, keine Raumbuchung
- Saubere digitale Dokumentation
- Höhere Barrierefreiheit (wenn gut umgesetzt)
"Remote Workshops sind im Idealfall kollaborativ Wir arbeiten alle zusammen."
Der Workshop im Deep Dive: Phasen, Rollen, Inhalte
Die fünf Phasen eines guten Empathy-Workshops:
- Vorbereitung
- Eröffnungsphase
- Exploration
- Abschluss
- Nachbereitung
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1. Vorbereitung: 70 % des Erfolgs entstehen vorher
Die Realität: Viele Workshops scheitern nicht an der Durchführung, sondern an der mangelnden Vorbereitung. Leilas Tipps sind praxisnah und extrem hilfreich:
Vorbereitungs-Checkliste:
- Workshop-Ziele definieren – in enger Abstimmung mit Stakeholdern.
- Agenda erstellen – realistisch und mit Puffern.
- Mural-Board vorbereiten – horizontales Scrollen, klare Labels, alles, was nicht editierbar sein soll, wird gesperrt.
- Einladung mit Pre-Task verschicken – inkl. Zugang zum Board, kurzer Anleitung (gern als Video!) und Hintergrundinfos.
- Technik-Check anregen – ins Board einloggen, Tools testen.
2. Eröffnungsphase: Stimmung, Regeln, Vertrauen
Die ersten Minuten entscheiden, ob Teilnehmende sich sicher und involviert fühlen. Deshalb beginnt Leila mit einer Aktivierungsübung:
Beispiel: Die Dosenöffner-Übung
- Aufgabe: Drei absurde Arten finden, eine Dose ohne Dosenöffner zu öffnen.
- Warum? Fördert kreatives Denken, bricht das Eis – und gibt der Moderatorin erste Hinweise auf Persönlichkeitstypen im Raum.
Wichtig außerdem:
- Gemeinsame Spielregeln (Respekt, Ausreden lassen, Zeit einhalten)
- Hinweis auf „Benching“: Diskussionen können geparkt und später aufgegriffen werden
- Teilnehmer*innen stellen sich vor – gern über den Pre-Task
3. Exploration: Der Kern des Workshops
Die wichtigste Phase – hier passiert die eigentliche Empathie-Arbeit.
Leilas Toolkit enthält kreative, aber klar strukturierte Methoden, um sich in die Nutzer*innen hineinzuversetzen. Ihr Favorit: Reverse Brainstorming.
Reverse Brainstorming – so geht’s:
- Ausgangssituation definieren (z. B. Nutzung eines Features)
- Was könnte schiefgehen?
- Was könnte es noch schlimmer machen?
- Wie könnte man das lösen?
Warum das so effektiv ist: Es zwingt dazu, Worst-Case-Szenarien ernst zu nehmen und nicht vorschnell Lösungen zu entwerfen. So entsteht echte Empathie.
Weitere Formate:
- Perfect World: Wie sähe das ideale Nutzungserlebnis aus?
- UX-Vision Statements: Kurzformulierte Zukunftsbilder der gewünschten User Experience
- UX Poker: Priorisierung von Features nach Nutzen für die Nutzer*innen
- Storyboarding: Visualisierung von Nutzungsszenarien
4. Abschluss: Klarheit, Konsens, Commitment
Am Ende steht die Synthese:
- Was haben wir gelernt?
- Was machen wir als Nächstes?
- Wer ist wofür verantwortlich?
- Was sind unsere nächsten Termine?
Die Übung Project North Star dient als zentrales Dokument:
- Business-Ziele
- UX-Vision
- Nutzeranforderungen
- Erfolgsmetriken
- Features & nächste Schritte
Am besten exportiert als PDF und ans Team verschickt – als Orientierungspunkt für die weitere Produktentwicklung.
5. Nachbereitung: Qualität sichern, Wirkung verlängern
Leila rät, das Board nach dem Workshop nochmal zu „aufräumen“:
- Tippfehler entfernen
- Inhalte strukturieren
- ggf. zusammenfassen (nicht inhaltlich verändern!)
- Ergebnisse dokumentieren und verschicken
- Feedback einholen!
Extrem praxisnahe Tipps aus dem Workshop
- Agenda mit Zeitreserven planen – aber nur intern kommunizieren
So hast du Flexibilität, ohne die Dynamik zu verlieren. - Nur 80 % der Übungen sind fix – 20 % optional halten
Raum für spontane Diskussionen oder unerwartete Erkenntnisse. - Alle beweglichen Objekte auf dem Whiteboard sperren, die nicht bewegt werden sollen
Spart Chaos – besonders bei vielen Teilnehmenden. - Live-Dokumentation durch eine zweite Person
Entlastet die Moderation und sorgt für strukturierte Ergebnisse. - UX-Vision als zentraler Fixpunkt
Von ihr aus lassen sich Features, Anforderungen und Designentscheidungen ableiten. - Teilnehmer über Pre-Tasks einbinden
Spart Zeit, aktiviert und steigert die Qualität der Diskussion. - „Benching“ klar kommunizieren
Entschärft heikle Diskussionen, ohne gute Gedanken zu verlieren.
Fazit: Empathie ist keine Haltung – sie ist ein Workshopformat
Empathy-Workshops sind kein Soft Skill-Schnickschnack. Richtig durchgeführt, bringen sie Teams dazu, nicht mehr nur über Nutzer zu reden – sondern mit ihnen und für sie zu arbeiten. Sie erzeugen Klarheit, emotionale Verbindlichkeit und priorisierte Anforderungen.
Und das alles funktioniert auch remote – wenn du das richtige Setup hast.