German UPA | Beitrag vom 23.05.2025 –
UX-Vision Canvas: Wie du dein Produktteam auf ein gemeinsames Erlebnisziel einschwörst
Auf einen Blick
Das UX-Vision Canvas hilft Produktteams dabei, eine gemeinsame, messbare und erinnerbare Nutzererfahrung zu definieren und damit strategische Produktentscheidungen konsistenter und nutzerzentrierter zu treffen.
- Ziel des UX-Vision Canvas ist es, ein gemeinsames mentales Modell der gewünschten Nutzererfahrung im Team zu entwickeln – basierend auf realen Nutzungsbedürfnissen.
- Die UX-Vision unterscheidet sich klar von der Produktvision: Sie beschreibt nicht den funktionalen Zweck, sondern die erinnerte Erlebnisqualität („schnell, einfach, spaßig“).
- Mit dem UEQ+ und UX-Poker bietet die Methode konkrete Werkzeuge zur Messung und Priorisierung von UX-Zielen im Alltag.
- Typische Herausforderungen wie fehlender Nutzerzugang oder spontane Managementideen lassen sich durch das Canvas strukturiert adressieren.
- Der Einstieg erfolgt in fünf Schritten – von der Formulierung der UX-Vision über ihre Integration in die Produktvision bis zur regelmäßigen Aktualisierung.
Von der Nutzererwartung zur erinnerbaren Experience
UX ist weit mehr als Usability oder Attraktivität. Dominique argumentiert, dass die erinnerte Experience die eigentliche Leitgröße für Produktentscheidungen ist. Nutzer*innen bewerten ein Produkt nie nur anhand einzelner Episoden, sondern durch die Summe ihrer Erinnerungen – ein zentraler Unterschied zu vielen herkömmlichen Ansätzen.
Daher verfolgt das UX-Vision Canvas ein Ziel: Diese Erinnerung gezielt zu gestalten und messbar zu machen – und zwar nicht individuell, sondern als gemeinsame Zielvorstellung im gesamten Produktteam.
„Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist die Erinnerung über die Nutzung meines Produktes das Wichtigste, was mir bei der Produktentwicklung als Leitfaden dient.“
Das UX-Vision Canvas: Struktur und Ablauf im Überblick
Das Canvas besteht aus fünf zentralen Elementen:
- User (Menschen)
Wer nutzt das Produkt? Mit welchen Fähigkeiten, Zielen, Kontexten? - Product (Produkt)
Was ist unser Produkt – und was bewusst nicht? - UX-Vision
Wie soll die Nutzung erinnert werden? Welche Adjektive beschreiben das Erlebnis? - Measurement (Messung)
Woran erkennen wir, dass wir die Vision erreichen? - Features (Merkmale)
Welche geplanten Features zahlen wie auf die Vision ein?
Die Bearbeitung erfolgt in genau dieser Reihenfolge. Dabei entstehen nicht nur strukturierte Artefakte, sondern intensive Teamdiskussionen, die implizite Annahmen sichtbar machen.
UX-Vision ≠ Product Vision
Ein zentraler Punkt: Die UX-Vision ist nicht gleich der Produktvision. Während Letztere meist auf den funktionalen oder geschäftlichen Zweck fokussiert, zielt die UX-Vision auf die Erlebnisqualität für die Nutzenden ab.
Trotzdem: Beide Visionen sollten verzahnt sein. Dominique empfiehlt, die UX-Vision (z. B. „schnell, einfach, spaßig“) explizit in die Produktvision zu integrieren, um eine einheitliche Story für Stakeholder zu schaffen.
"Das ist genau das Gleiche mit den anderen nicht-funktionalen Eigenschaften die wir in Produkten so haben, wie "Es soll schnell sein.", "Es soll schön sein.", "Es soll besser sein.". Ja was heißt das eigentlich?
UX messbar machen – mit dem richtigen Werkzeug
Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass eine UX-Vision nur dann Wert entfaltet, wenn sie konkret messbar gemacht wird. Dominique empfiehlt hier den UEQ+ (User Experience Questionnaire Plus), der auf konkrete UX-Faktoren (z. B. Stimulation, Effizienz, Transparenz) zugeschnittene Fragesets anbietet.
So lässt sich eine UX-Vision wie „schnell, einfach, spaßig“ in klare KPIs übersetzen – mit Zielwerten, die regelmäßig überprüft werden können. UX wird so zur Controlling-Größe.
UX-Poker: Einfluss von Features bewerten – schnell & teamfähig
Ein echter Praxis-Clou ist das von Dominique vorgestellte UX-Poker-Verfahren:
Eine Schätzmethode (analog zum Planning Poker), bei der jedes Feature auf seinen erwarteten Einfluss auf die einzelnen UX-Dimensionen bewertet wird.
- Teammitglieder geben Schätzwerte zwischen -2 bis +2 ab.
- Diskussionen entstehen dort, wo die Einschätzungen stark abweichen.
- Ziel: Teamalignment und bessere Entscheidungsgrundlage für Priorisierung.
Harte Realität: UX-Visionen fehlen fast überall
Ein Ergebnis aus einer kurzen Live-Umfrage unter den Teilnehmenden war alarmierend, wenn auch nicht überraschend:
- Nur 11 % der Teilnehmenden gaben an, dass es bei ihnen eine explizite UX-Vision gibt.
- Rund 67 % sagten: „Nicht so richtig“ – also höchstens implizite Vorstellungen.
- 22 %: „Gibt es gar nicht.“
Das zeigt: UX-Visionen sind in den meisten Organisationen ein blinder Fleck. Gerade in Unternehmen mit niedriger UX-Reife existiert selten ein echtes gemeinsames Zielbild.
Typische Herausforderungen – und wie du sie adressierst
Im Lauf des Vortrags kamen viele praktische Probleme auf, die UX-Teams plagen. Hier eine Auswahl – inklusive Lösungsideen:
- Zugang zu Nutzenden fehlt
- Kein Research möglich, B2B2C-Situation, Gatekeeper in anderen Abteilungen.
- Lösung: Ad-hoc-Personas auf Basis vorhandener Hypothesen nutzen – und diese baldmöglichst evaluieren.
- Management bringt spontane Ideen ohne UX-Bezug
- „Macht das einfach mal“ – ohne Bezug zur UX-Vision.
- Lösung: UX-Vision als Kommunikationsanker nutzen: „Zahlt das auf ‚Vertrauenswürdigkeit & Klarheit‘ ein?“ – Wenn nicht, ist es nicht strategiekonform.
- Features sind funktional sinnvoll, UX-negativ
- Pflichtfelder oder gesetzliche Hinweise zerstören Flow & Stimmung.
- Lösung: UX-Poker verwenden, um negative Einflüsse sichtbar zu machen – und Kompensationsmaßnahmen zu identifizieren.
- Kein Messframework vorhanden
- „Wir machen Feedback via Supporttickets.“
- Lösung: UEQ+ einführen. Monatlich eine Stichprobe per On-Site-Befragung oder E-Mail. Schon 50 Antworten genügen für stabile Tendenzen.
- Zu breite Zielgruppen
- „Wir entwickeln für alle.“
- Lösung: Zielgruppen priorisieren, Canvas pro Hauptzielgruppe anlegen, schrittweise ausrollen.
So startest du mit dem UX-Vision Canvas – in 5 konkreten Schritten
- UX-Vision entwickeln
➝ Adjektive sammeln, clustern, priorisieren (max. 3), UX-Vision daraus formulieren. - In Produktvision integrieren
➝ UX-Faktoren als Erlebnisziele im Product Vision Statement ergänzen. - UX-Goals und Messung aufbauen
➝ Fragebögen definieren (z. B. mit UEQ+), regelmäßige UX-Befragungen einführen. - UX-Poker im Team etablieren
➝ Jedes Feature wird auf UX-Einfluss geschätzt – Grundlage für Priorisierung. - Canvas regelmäßig aktualisieren
➝ Mindestens quartalsweise reflektieren: Hat sich die Vision oder Nutzerbasis verändert?
Fazit: Das UX-Vision Canvas bringt Ordnung in das emotionale Chaos der UX
Die Methode ist kein Selbstzweck. Sie liefert dir und deinem Team eine klare, messbare, erlebbare Richtung für eure Produktentscheidungen – mit klarer Relevanz für Business, UX und Nutzerzufriedenheit. Sie ist einfach genug für den Alltag und strukturiert genug für anspruchsvolle Produkte.
Was meinst du zu UX-Visionen in deinem Unternehmen?
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