German UPA | Beitrag vom 03.04.2014 –
Für positive Erlebnisse gestalten – Beispiel „Travel Experience“
Oft wird der Begriff „User Experience“ (UX, das Benutzererlebnis) sehr breit verwendet und schließt „Usablity“ ein. Während es bei Usability in erster Linie um das Vermeiden negativer Erlebnisse (Stress, Ärger) geht, haben in letzter Zeit einige Artikel explizit darauf hinwiesen, dass es bei der Gestaltung für gute UX um positive emotionale und für die Person bedeutsame Erlebnisse geht (Desmet & Pohlmeyer, 2013; Marc Hassenzahl et al., 2013). Wie der Entwurf für positive Erlebnisse in Zusammenhang mit Technologie aussehen sollte, wird vor allem bei Hassenzahl et al. (2013) deutlich.
Positive UX als Rahmen
Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekt IC-IC „Enhancing interconnectivity of short and long distance transport networks through passenger focused interlinked information-connectivity“ (FP7 GA 266250) haben wir mit Studierenden 13 Konzepte für positive Erlebnisse auf Reisen entwickelt (Burmester & Tille, 2013). Ausgangspunkt ist das Modell der User Experience von Marc Hassenzahl nach dem UX momentanes, vor allem wertendes Gefühl (positiv – negativ) während der Nutzung eines Produktes oder Services ist. Positive UX stellen sich ein, wenn Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz, Verbundenheit, Popularität, Stimulation und Sicherheit erfüllt werden ( Hassenzahl, 2008; Hassenzahl et al., 2013).
Um insbesondere positive Erlebnisse beim Reisen zu konzipieren, gehen wir von einem Prozessmodell aus, das den gesamten Reiseverlauf betrachtet, also von der Planung bis zur Rückkehr. Dabei unterteilen wir in sogenannte prozessrelevante Aktivitäten und in begleitende Aktivitäten (Popovic, Kraal & Kirk, 2009), die für die Reisenden eine Bedeutung haben.
Vorgehen am Beispiel einer App
Das Vorgehen schildern wir beispielhaft am Konzept „Travel Tracker“ von Katharina Clasen, Timo Gabel, David Galowy, Timo Göbel und Dürgül Gümüs. Die Herausforderung war, für Geschäftsreisende ein positives Erlebnis auf der Reise zu schaffen. Der Travel-Tracker ist eine Smart-Phone-App, die das Gruppenerlebnis stärken soll in dem die Gruppenaktivitäten erfasst (durch GPS, App-Aufrufe, Internetzugriffe, Telefon, Mikrofon, Lagesensor etc. der Smartphones), protokolliert und schließlich rückgemeldet werden. Dadurch werden das Bedürfnis nach Stimulation (neue Erkenntnisse über das Gruppenverhalten, z.B. Häufigkeit und Länge gemeinsamer Gespräche), Kompetenz (durch die Rückmeldung gemeinsam bewältigter Aufgaben: „wir waren gemeinsam in 6 Meetings auf unserer Reise und haben insgesamt 10 Stunden verhandelt“) und Verbundenheit (wir haben viel Zeit zusammen verbracht) adressiert.
1. Definition der betreffenden Nutzer
Für welche Nutzer wird gestaltet? Welche Eigenschaften haben diese. In unserem Projekt wurden 16 Passagierkategorien definiert und als Persona beschrieben. Dabei waren Geschäftsreisende eine wichtige Gruppe. Ausgangspunkt für das Konzept war eine Gruppe dreier Geschäftsreisender, die mit Smartphones ausgerüstet sind.
2. Sammlung positiver Erlebnisse auf Reisen
Mit Intensivinterviews (10 Teilnehmer) und Tagebuchverfahren (4 Teilnehmer) wurden positive Erlebnisse gesammelt. In den Befragungen werden immer die Eigenschaften der Situation des positiven Erlebnisses (Reiseabschnitt, Umgebungssituation, involvierte Personen, relevante Artefakte, emotionsauslösende Faktoren) und die jeweilige persönliche Bedeutung des Erlebnisses (Laddering-Befragung) ermittelt.
3. Verfassen von Erlebnisgeschichten
Auf der Basis der Erlebnissammlung werden prototypische Erlebnisgeschichten erstellt, die die Eigenschaften typischer Erlebnisthemen illustrieren, wie z.B. bei Geschäftsleuten als Team aufzutreten und gute Verhandlungen zu führen.
4. Erlebnisideen
Erlebnisideen entstehen direkt aus den Erlebnisgeschichten in dem das Erlebnis erweitert oder in neuer Form wieder erzählt wird. Möglich ist auch, bestimmte Situationen (z.B. das spontane Gespräch mit einem Mitreisenden als Verbundenheitserlebnis) heraus zu greifen und daraus z.B. Ideen zu entwickeln, wie Reisende spontan durch eine Technologie in Gespräche gebracht werden können. Die Ideen lassen sich als Erlebnisszenarios beschreiben.
5. Erlebnisdynamik
Erlebnisse entwickeln sich in der Zeit. Sie haben einen Vorlauf, die Interaktion selbst und einen Nachlauf. Diese muss Schritt für Schritt entworfen werden. Diese Details werden Teil der Erlebnisgeschichte und lassen sich als Storyboard visualisieren (Abbildung 1).
6. Umsetzung in einen Prototypen
Die Erlebnisse für Reisende wurden als Szenario- oder Video-Prototypen umgesetzt (Abbildung 2).
Weiterentwicklung im Rahmen des Projektes Design4Xperience
Standardisiert sollten die Protoypen iterativ verfeinert und evaluiert werden. In frühen Konzeptphasen kann man das UX Concept Testing (Sproll, Peissner, Sturm, & Burmester, 2008) einsetzen oder wenn bereits weiter entwickelte Prototypen vorliegen die Valenzmethode (Burmester, 2013). Weitere Konzepte und das genaue Vorgehen findet sich bei Burmester und Tille (2013). Den systematischen Entwurf positiver Erlebnisse für Software in Arbeitszusammenhängen erforschen wir im Rahmen des im Januar 2014 gestarteten und in der Förderinitiative „Einfach intuitiv – Usability für den Mittelstand“ im Förderschwerpunkt „Mittelstand-Digital“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie geförderten Projektes Design4Xperience.
Links
- Website Design4Xperience.
- Beschreibung von Design4Xperience.
- Die Basis des Posts ist der Beitrag der Autoren "Travel Experience – Interaktive Technologien für positive Erlebnisse in der Transportphase des Reisens" auf der Usability Professionals 2013.
Über die Autoren
Prof. Dr. Michael Burmester
Information Experience and Design Research Group
Stuttgart Media University
Weitere Informationen zu Michael Burmester der Seite der HdM Stuttgart.
Prof. Ralph Tille
Studiengang Informationsdesign
Weitere Informationen zu Ralph Tolle auf der Seite der HdM Stuttgart.