German UPA | Beitrag vom 05.05.2020 –
Mit UX Design durch die Corona-Krise!
Aktuell werden europaweit drastische Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 angewendet und diese führen nicht nur im öffentlichen Leben zu einem regelrechten Stillstand. Doch was kann ein IT-Unternehmen tun, wenn plötzlich wichtige Projekte abgesagt werden, die Zusammenarbeit mit Kunden stark eingeschränkt wird und womöglich tatsächlich Mitarbeiter in einen Leerlauf geraten?
Reflexion
In einem IT-Unternehmen gibt es viele wichtige Geschäftsfelder, welche die Wertschöpfung sowie die Identität des Unternehmens prägen. Beispielsweise die IT- sowie organisatorische Infrastruktur, eigene Geschäftsprozesse, Marketing, Vertrieb, die Mitarbeiterkultur und Arbeitsatmosphäre, sowie die Produkt- und Serviceentwicklung. Sollte ein Unternehmen tatsächlich in eine Krise abrutschen, dann muss alles getan werden, um die Umsätze aufrechtzuerhalten, Arbeitsplätze zu sichern und eine Insolvenz zu vermeiden. Hier sind insbesondere Vertrieb, Marketing sowie die strategische Geschäftsführung im Einklang gefragt.
Für Unternehmen, welche über ausreichend Liquidität verfügen und langfristig ihre Ziele trotzdem erreichen können, besteht kein Grund zur Panik!Stattdessen kann so ein Leerlauf ganz zielgerichtet zur Reflexion ausgenutzt werden. Im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) kann mit einer Analyse mögliche Optimierungspotenziale in den wichtigsten Geschäftsfeldern identifiziert werden. Was ist in letzter Zeit geschehen? Was war gut? Was war schlecht? Was sollte geändert werden? Hierzu können Methoden wie Retrospektiven oder SWOT-Analysen (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) sehr helfen.
(Grafik unten: SWOT Modell in der Matrixdarstellung, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/SWOT-Analyse)
Digitale Produktentwicklung
Für viele IT-Unternehmen und Softwareentwickler ist die Produktentwicklung die neuralgische Stelle. Spätestens wenn sich durch eine Analyse Defizite in der Qualität und Kundenzufriedenheit auftun, sollten sich Produkthersteller den Themen Customer sowie User Experience widmen. Digitale Produkte werden heute nicht mehr ausschließlich über ihre Funktionalität verkauft, sondern über ein positives Nutzererlebnis und eine serviceorientierte Kundenbindung. Dabei beschreibt User Experience (UX) die Summe aller Erfahrungen, die ein Nutzer mit einem digitalen Produkt und Unternehmen sammelt. Dem Nutzer gefällt, was einfach zu benutzen und attraktiv anzusehen ist. Genau hier setzt UX Design an.
UX Design als Ansatz
Da User Experience ein ganzheitlicher Ansatz ist, spiegelt der Begriff UX Design einen umfassenden Designprozess wieder, welcher Teildisziplinen, wie beispielsweise Nutzeranalyse, User Interface Design, Psychologie und Produktdesign, vereint. Im Kern soll das Nutzererlebnis auf allen Ebenen optimal stimuliert werden. Dabei spielt dann auch noch die sog. Usability oder Gebrauchstauglichkeit eine wichtige Rolle. Kann der Nutzer seine Hauptaufgaben zielführend abschließen? Wie lange und wie viele Schritte sind zur Zielerreichung erforderlich?
Als Paradebeispiel für UX dient Apple. Dass Apple mittlerweile eines der erfolgreichsten und reichsten Unternehmen der Welt ist, kommt nicht von ungefähr. Apple hat es geschafft viele UX-Disziplinen mit einer sehr hohen und gleichbleibenden Qualität auszufüllen. Andere Firmen, wie beispielsweise Nokia, waren einst mit ihren Produkten Weltmarktführer und haben weder auf den Markt gehört, noch die Bedürfnisse der eigenen Kunden richtig analysiert. Wer würde heute noch Nokia Aktien kaufen... ?
(Grafik unten: Apple Aktie vs. Nokia Aktie im Jahr 2020, Quelle: https://www.guidants.com/)
Gutes UX Design führt mittelfristig zu zufriedenen Nutzern, steigenden Umsätzen und Gewinnen sowie sinkenden Schulungskosten. Zusätzlich können Entwicklungskosten deutlich reduziert werden, da bereits im Designprozess wertvolles Nutzerfeedback berücksichtigt werden kann, noch bevor es zu teueren Fehlentwicklungen kommt. UX Design ermöglicht die zielgerichtete Gestaltung für reale Nutzer und deren Bedürfnisse.
UX Design auch remote
In Zeiten der Ausgangssperren, Quarantänen und HomeOffice-Maßnahmen könnte manch einer denken, dass auch im Bereich UX Design eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Dies ist jedoch eine falsche Annahme und genau das Gegenteil ist der Fall.
So können beispielsweise bereits bestehende Softwareprodukte remote mit Hilfe eines Testsystem analysiert werden. Solange es zu dem Testsystem eine sichere Remote-Verbindung z.B. über einen VPN-Tunnel gibt oder das Testsystem sogar als Virtuelle Maschine in einer Cloud gehostet wird, stellt dies gar kein Problem dar. Auch Offline-Installer sind eine Möglichkeit, um das Testsystem lokal zu installieren. Ein UX Designer könnte auf dieser Basis ein sog. Expert Review durchführen, bei dem z.B. eine Benutzeroberfläche anhand international bewährter Heuristiken (u.a. der ISO 9241-110) auf mögliche Usability-Probleme untersucht wird. Danach kann die Auswertung dann einfach mit einer Online-Konferenzlösung wie beispielsweise Zoom oder GoToMeeting besprochen werden. Die meisten Online-Konferenzlösungen bieten unterstützend eine Audio-, Video- und Bildschirmübertragung für alle Teilnehmer an. Auf dieser Grundlage sind auch sog. Kickoff-Workshops durchführbar. Im Rahmen einer Einarbeitung kann z.B. ein UX Designer selbständig mit einem Testsystem arbeiten und so relevante Aufgaben sowie Prozesse der Nutzer durchspielen. Auch Kreativitätstechniken wie beispielsweise Brainstormings zur Ideenfindung können mittels digitaler Whiteboards gemeinsam online durchgeführt werden. Die meisten Online-Konferenzlösungen bieten umfassende Annotationsfunktionen an. Ferner können Anforderungen, Eindrücke sowie Ergebnisse wiederum ebenfalls remote abgestimmt werden. Natürlich ist ein persönliches Kennenlernen vor Ort angenehmer, jedoch lassen sich auch so mehrtägige Workshops remote realisieren und ein produktiver Austausch kann stattfinden.
Im Bereich Nutzeranalyse können viele Analysetätigkeiten ebenfalls remote abgebildet werden. Beispielsweise bietet die UX-Plattform UserZoom zahlreiche Möglichkeiten, qualitative und quantitative UX-Studien umzusetzen. Mit Hilfe von Online-Umfragen kann zu jedem Zeitpunkt im Entwicklungsprozess reales Nutzerfeedback eingeholt werden. Hierbei erhalten die Nutzer z.B. über E-Mail, Chat oder sogar integriert in eine Anwendung, den Zugriff zu der Umfrage. Dadurch wird überhaupt erst eine Bewertung aus Nutzersicht ermöglicht und führt bei regelmäßiger Nutzung zu einem langfristigen Tracking der UX. Zudem bietet UserZoom auch die Durchführung von sog. Remote Usability Tests an. Dabei werden Audio-, Video- und Bildschirmaufnahmen von echten Nutzern erfasste, während diese eine Website, mobile App oder einen Prototyp nutzen. Hier lassen sich tiefe Rückschlüsse über das Nutzererlebnis und die Usability ziehen. Übrigens lassen sich Remote Usability Tests auch mittels einer Online-Konferenzlösung gut abbilden. Dabei nutzt der UX Designer einfach die Audio-, Video- und Bildschirmübertragungsfunktion der Online-Konferenzlösung manuell und kann so einen Nutzer während der Benutzung z.B. eines Prototyps beobachten. Einsichten werden dabei händisch dokumentiert.
Auch kann mittlerweile die komplette Gestaltung einer Benutzeroberfläche online durchgeführt werden. Die Zeiten von lokalen Designdateien oder Photoshop als User Interface (UI) Designtool sind endgültig vorbei. Das Designtool Figma bietet einen kollaborativen Ansatz, wie UX Designer ihre Designs online gestalten und mit anderen Stakeholdern in Echtzeit teilen können. Mit Figma ist es möglich komplette UI Designs als modulares Designsystem mit allen Steuerelementen, Ansichten sowie Layouts zu gestalten. Dabei können dann unterschiedliche Stakeholder Zugriff auf die gestalteten Elemente erhalten oder sogar die Live-Gestaltung beobachten. Wahlweise kann der Zugriff über die Figma-Website oder einen nativen Client erfolgen, jedoch stets online. Zusätzlich gibt es Lese- sowie Schreibrechte und diese können je nach Rolle zugeteilt werden.
(Grafik unten: Demo einer Zusammenarbeit in Figma, Quelle: Shapefield)
Fazit
Jede Krise bietet Chancen und Zeitpunkte zur gezielten Reflexion. Tiefpunkte lassen sich durch neue Impulse und Überlegungen überwinden. UX kann vielleicht für einige IT-Unternehmen sowie Softwareentwickler ein neuer Anreiz darstellen. Heutzutage ist UX integraler Bestandteil langfristig erfolgreicher Unternehmen und dies auch in Krisenzeiten. Zudem ist die Zusammenarbeit im Bereich UX Design auch erfolgreich remote möglich. Im Übrigen war dies auch schon vor dem Ausbruch von Sars-CoV-2 so.
Über den Autor
David C. Thömmes (B.Sc.) studierte Medieninformatik an der HS Kaiserslautern und entdeckte schon früh seine Leidenschaft für die Mensch-Computer-Interaktion und das Software Engineering. Seine ersten Benutzeroberflächen programmierte David mit VBA und Delphi 2004. Als Geschäftsführer sowie Lead Software & UX Engineer bei Shapefield gilt seine Passion heute dem UX Design und der agilen Softwareentwicklung. Dabei gilt David als führender Experte für die analytische Gestaltung einer Benutzeroberfläche und deren technische Implementierung als umfängliche UI-Architektur im Rahmen eines interdisziplinären UX-Designprozesses.