German UPA | Beitrag vom 26.09.2013 –
UX im Lernumfeld nutzen und gestalten | Gastbeitrag von Thomas Willis
Thomas Willis widmet sich im Gastbeitrag der Gestaltung von freudvoller "Learning User Experience" und stellt die Frage: Ist es möglich den Lernenden statt die Inhalte in den Mittelpunkt der Wissensvermittlung zu stellen?
Beim Gestalten von Lernumgebungen hat man es heutzutage mit zwei entscheidenden Trends zu tun. Einerseits soll man als moderner Mensch quasi niemals aufhören zu lernen - sei es durch Weiterbildungen im Berufsleben oder ganz banal durch das alltägliche Bedienen neuer technischer Geräte. Und andererseits wird die Aufgabe des Lehrens immer öfter von Maschinen übernommen oder zumindest unterstützt. Um bei den oben angeführten Beispielen zu bleiben: die Weiterbildung findet nicht etwa im Klassenzimmer statt, sondern in der U-Bahn mit Hilfe des Smartphone. Und die Einführung in die Bedienung der neuen Waschmaschine übernimmt das Gerät selbst.
Die Qualität der "technisierten Lehre" hochzuhalten, ist eine wichtige Aufgabe unserer Zeit. Natürlich kann es für die Gestaltung medialer Lernumgebungen kein allgemeingültiges Regelwerk geben. Dennoch gibt es Erkenntnisse aus der Lernpsychologie, die für sämtliche Lernsituationen relevant sind. Jeder von uns hat schon die Erfahrung gemacht, dass man nicht gut lernen kann, wenn man frustriert ist. Zum Beispiel, weil der Stoff zu kompliziert oder zu langweilig ist. Oder weil man von der umständlichen Benutzeroberfläche der E-Learning Software schon genervt ist, bevor man zu den Inhalten vordringt. Positiv ausgedrückt: Lernen sollte Freude bereiten. Wie schafft man es also als Macher von medialen Lernumgebungen, eine freudvolle "Learning User Experience" zu gestalten?
7 Forms of joyfull UX
Welche Faktoren letztendlich zur Freude bei der Interaktion mit medialen Lernumgebungen beitragen, ist schwer zu identifizieren und variiert mit den individuellen Vorlieben. Um dennoch einige Faktoren zu nennen, die ich für besonders relevant halte und die sich an den "14 Forms of Fun" von Pierre-Alexandre Garneau orientieren, möchte ich folgende aufzählen: Schönheit, Immersion, physische Aktivität, soziale Interaktion, Entdeckung, Narration und Bezug zu "mir selbst" (die letzten beiden stammen nicht von Garneau).
Im folgenden soll anhand von praktischen Beispielen erörtert werden, was genau unter meinen "7 Faktoren der freudvollen UX" zu verstehen ist. Dabei handelt es sich um Medienexponate in Ausstellungen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Interaction Designer bei dem Berliner Kreativbüro
studio klv mitgestaltet habe. Obwohl es sich um eine spezifische Lernumgebung handelt, sollten viele der gewonnenen Erkenntnisse auf andere Bereiche übertragbar sein.
Joy-of-Use
Manchmal kann es schon helfen, die Interaktion mit dem Gerät so spannend zu gestalten, dass der Benutzer die Inhalte quasi "nebenbei" aufnimmt. Das Exponat "Magenmikroskop" des Vitarium Luxemburg, mit dem die Funktionsweise der Mägen eines Wiederkäuers erklärt werden, setzt voll auf den Spieltrieb der Benutzer. Indem er Magenscheiben selbst auf den "Objektträger" des medialen Mikroskop legt, kann er diese spielerisch erforschen (auf dem Display erscheinen Texte, Grafiken und Animationen, wenn bestimmte Stellen der Mägen im Okular erscheinen). Der entscheidende didaktische Moment liegt hier im selbst untersuchen und entdecken.
Ähnlich verhält es sich mit dem Exponat "Die Kuh und du!". Auf einer digitalen Personenwaage können sich mehrere Benutzer wiegen und entdecken, welche Kuhorgane ihrem gemeinsamen Gewicht entsprechen. Zur explorativen Qualität kommt noch die Interaktion mit anderen Lernenden als motivierendes Element dazu. Vor allem aber wird ein Bezug zum Lernenden selbst hergestellt: "Wow, der Pansen einer Kuh wiegt so viel wie ich!"
Den Benutzer ins Zentrum rücken
Bloßes Faktenwissen erscheint meist langweilig. Bei allen Lernaktivitäten wägt der Lernende ab, wie relevant das Wissen für ihn ist. Um den Lernenden zu motivieren, kann man versuchen, ihn selbst in den Mittelpunkt der Vermittlung zu rücken: Was mit mir selbst zu tun hat, ist für mich relevant.
Im Dynamikum Science Center Pirmasens werden verschiedene naturwissenschaftliche Themen unter dem Gesichtspunkt "Bewegung" behandelt. Unter anderem wird thematisiert, wie schnell verschiedene Tiere laufen. Dass ein Riesentausendfüßler durchschnittlich 9 m/s und ein asiatischer Elefant 7 m/s läuft klingt erst einmal nicht besonders spannend. Das ändert sich schlagartig, wenn die Besucher im "Wettlauftunnel" gegen diese Tiere um die Wette rennen. Wenn man den Wettlauf gegen einen Elefanten haushoch verliert, wird man sich nachhaltig erinnern, dass ein Elefant viel schneller läuft, als ein Mensch. Es wurde ein emotionales Erlebnis mit diesem Wissen verknüpft.
Wie schon im Vorfeld angekündigt, wird es kein Rezept für "gute" mediale Lernumgebungen geben können. Bestimmt aber wird der Lernerfolg größer sein, wenn der Lernprozess und damit einhergehend die interaktive Kommunikation als freudvolles Erlebnis wahrgenommen wird.
Dieser Post ist eine aktualisierte Zusammenfassung eines Vortrages von Thomas Willis auf der German-UPA-Konferenz "Usability Professionals 2012". Weitere Informationen und der vollständige Beitrag "Interaktive Kommunikation für Ausstellungen gestalten" im digitalen Tagungsband.
Über Thomas Willis
Thomas Willis arbeitet als Interaction Designer in Berlin. Sein Spektrum reicht von interaktiven Anwendungen der Wissensvermittlung bis hin zur Interaktionsgestaltung von Consumer Products. Er unterrichtet die Fächer "Mobile Apps Design" an der Universität der Künste Berlin und "Industrial Design Engineering" an der Technischen Universität Berlin.