Veronika Langner
Veronika ist UX-Designerin bei Smart Cyber Security und Mitglied des German UPA Arbeitskreises für Ethik. Sie bringt ihre langjährige Erfahrung im ethischen UX-Design ein und teilt ihre vier Leitprinzipien, die sie in ihrer Arbeit leiten.
Themen
Links und Ressourcen:
- 📄 Artikel von Darlene Rabe: "How AI is changing the use of personas in UX"
uxdesign.cc/death-of-the-persona-4b929cf721f9 - 📄 Jens Jakobsens Artikel: "Personas ohne Alter und Geschlecht, aber mit KI"
www.benutzerfreun.de/newsletter/per…etter-10-2024/ - 📄 Artikel von Steve Portigal (2008): "The Trouble with Personas"
portigal.com/wp-content/uploads…sona-Non-Grata.pdf - 📄 Artikel von Jim Lewis und Jeff Sauro: "Sample Sizes for Usability Studies: One Size Does Not Fit All"
measuringu.com/specific-sample-s…iscovery-studies/ - 📄 Artikel von Jim Lewis und Jeff Sauro: "What You Get With Specific Sample Sizes in UX Problem Discovery Studies"
measuringu.com/specific-sample-s…iscovery-studies/ - 📄 Path Unbound auf UXplanet: "The Ugly Truth About the UI/UX Industry"
uxplanet.org/the-ugly-realities…ustry-3b2af009462c - 📅 World Usability Day: Informationen zum Event am 14. November
germanupa.de/events/world-usability-day - 📄 Luke Wroblewski's Blog: Eindrücke von der Smashing Conference
www.lukew.com/ff/entry.asp?2080
www.lukew.com/ff/entry.asp?2081 - 🛠️ Ethics Canvas: Tool zur systematischen Reflexion ethischer Fragen im Designprozess
ethicscanvas.org/ - 📄 German UPA Code of Conduct: Ethische Standards für UX-Designer
germanupa.de/blog/code-conduct - 💡 Arbeitskreis EthiX der German UPA
germanupa.de/arbeitskreise/arbeitskreis-ethix - 🛠️ Arbeitskreis Künstliche Intelligenz Miro-Board: Ressourcen und Tools zur KI-Integration
miro.com/app/board/uXjVKtn7zK…link_id=885580935866
Transkript
[00:00:00] Matthias: Hallo zum UX und Usability Podcast, hallo liebe UX-Community und hallo Frede.
[00:00:15] Frede: Hallöchen Matthias.
[00:00:17] Matthias: Na, wie schaut's wie geht's dir?
[00:00:19] Frede: Ja, es geht so. Also ich kann nur sagen, Leute, passt auf euch auf. Diese neue Corona-Variante, die hat es echt in sich.
[00:00:25] Matthias: Ja, aber ich hörte davon. Insofern ich bin echt froh, dass du trotzdem dabei bist, auch wenn es vielleicht heute etwas nasaler klingt obwohl es geht.
Ja
[00:00:33] Frede: das geht tatsächlich. Aber ja, ich bin auch schon wieder auf dem Weg nach oben. Also alles gut.
[00:00:39] Matthias: Auf jeden Fall schön, dich dabei zu haben und schön auch alle euch da draußen dabei zu haben. Wir haben wieder ein bisschen rumgeschraubt an diesem Format und das basiert natürlich auf eurem Feedback. Lasst uns wissen, was wir und wie wir diesen Podcast noch besser machen können.
Wenn ihr uns gerade auf Spotify hört, dann ist es am einfachsten wenn ihr das über die Kommentarfunktion macht. Ansonsten schreibt uns einfach eine E-Mail oder nutzt einer unserer vielen anderen Social-Media-Formate, wo ihr uns einfach Feedback geben könnt und dann entwickeln wir dieses Format weiter, wie gesagt.
[00:01:07] Frede: Genau und ich würde sagen, da wir wieder eine unfassbar volle Sendung haben, reden wir gar nicht lange vorneweg, sondern starten direkt ins Thema. Und wer jetzt nur für das Interview da ist, der kann direkt bis Minute 43,16 springen
[00:01:24] Matthias: Ja, und wie du sagst lass uns direkt einsteigen. Wir kommen direkt zu einem spannenden Thema, das derzeit in der X-Familie heiß diskutiert wird.
Die sich verändernde Rolle von Personas im Design. Also es wird ja viel gerade darüber diskutiert, wie KI-gestützte Personalisierung unseren Umgang mit Personas beeinflusst und ob wir sie überhaupt noch brauchen. Ich habe dazu zwei Artikel gelesen, die recht unterschiedliche Ansichten dazu vertreten.
Einer stammt von Darlene Rapp Veröffentlicht auf UX-Collective und der andere ist von unserem Freund Jens Jakobsen von benutzerfreunde.de. Beide betrachten hier, wie KI die Nutzung von Personas verändert, aber sie haben darauf natürlich leicht unterschiedliche Blickwinkel.
[00:02:06] Frede: Das klingt echt richtig doll interessant.
Wir wissen ja alle, dass Personas schon lange ein Grundpfeiler im UX-Design sind, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass sich die traditionellen Methoden überholt anfühlen, da immer mehr Systeme automatisiert und datengetrieben sind. Was sagt denn Darlene in ihrem UX-Collective-Artikel dazu?
[00:02:27] Matthias: Ja erstmal sagst du es ganz richtig.
Also überholt trifft es hier wirklich ziemlich gut. In Darlins Artikel geht es darum, dass KI-gestützte Personalisierung traditionelle statische Personas mehr oder weniger überflüssig macht. Also sie argumentiert dass traditionelle Personas Annahmen basiert, oft von oberflächlichen demografischen Daten ausgehen und nicht in der Lage sind, sich in Echtzeit an das tatsächliche Verhalten der Nutzerin anzupassen.
Also Darlins zitiert ja Christine Roman und Jared M. Spool die ja darauf hinweisen, dass Personas oft keine realen Szenarien oder echte Daten enthalten, was sie insgesamt halt weniger effektiv macht, wenn es darum geht, für die heutige Nutzerin zu entwerfen
[00:03:11] Frede: Yes, das habe ich auf jeden Fall auch schon gehört.
Personas können sich manchmal zu fiktiv anfühlen. Sie sollen ja einen Durchschnittsnutzer oder eine Durchschnittsnutzerin repräsentieren, aber Realitätsbrille auf, wir wissen ja eigentlich alle irgendwie, dass es diesen Durchschnittsmenschen überhaupt nicht gibt. Aber was ist denn der KI-gestützte Ansatz, den sie vorschlägt?
[00:03:29] Matthias: Sehr gute Frage. Also Darlene spricht darüber, wie KI-gestützte Personalisierung uns ein viel dynamisches und kontextbezogenes Bild unserer Nutzerin vermitteln kann. Also statt einer statischen Persona ermöglicht KI die Anpassung der Experience in Echtzeit, also basierend auf tatsächlichen Verhalten und den tatsächlichen Vorlieben der Nutzerin.
Also als Beispiel nenne ich sie hier Unternehmen wie Netflix und Spotify. Und Frieder das kennst wahrscheinlich auch gut, wenn du das mit jemand anderem... Wenn man nutzt sieht das komplett anders aus als bei einem seltsamen.
[00:04:03] Frede: Ja, auf jeden Fall. Die haben halt alle nicht so guten Geschmack wie ich, würde ich sagen.
[00:04:09] Matthias: Genau. Ja, also darauf fokussiert sich hier der Punkt, dass halt KI sich an die tatsächlichen Bedürfnisse anpasst und auch tatsächlich versucht, diese vorherzusagen. Das
[00:04:21] Frede: ist echt super spannend, weil es vielleicht auch jeder von uns schon mal erlebt hat. Und ich schätze, in diesen Fällen weiß die KI wahrscheinlich mehr über mich, als eine Person jemals könnte, weil sie eben sieht, was ich wirklich tue, anstatt nur Vermutungen auf Basis von demografischen Daten anzustellen.
Aber... Ich schätze jetzt erwischst du mich wieder eiskalt und es gibt da noch einen fiesen Haken, oder? Weil da gibt es wahrscheinlich nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken.
[00:04:50] Matthias: Du hast natürlich völlig recht. Also es gibt definitiv Risiken und der Lean spricht diese auch sehr deutlich an. Also KI kann zum einen natürlich Vorurteile verstärken also insbesondere, wenn die Daten, mit denen sie trainiert wird, nicht vielfältig genug sind.
Und der Artikel verweist auch auf die Gefahr Das sogenannte Echo Chambers, also Echo kann man entstehen können, wer kennt das nicht auf Social Media, in denen halt Nutzerinnen nur Inhalte zu sehen bekommen, die ihren bestehenden Vorlieben entsprechen, ja, also was den Raum für halt zufällige Entdeckungen oder neue Erfahrungen natürlich einschränkt.
Ja und dann gibt es natürlich diese ganz klassischen Probleme wie Privatsphäre und Fairness, also KI-gestützte Personalisierung erfordert halt eine Menge Daten und natürlich fühlen sich da nicht alle wohl damit, die auch so in der Menge zu teilen. Die
[00:05:38] Frede: ganzen Daten so zu sammeln, ist schon eher ein zweischneidiges Schwert.
Und wie sieht das bei Jens Jakobsen aus? Der Titel seines Artikels, Personas ohne Alter und Geschlecht aber mit KI, klingt super spannend, denn er scheint das Thema aus einem etwas anderen anderen Blickwinkel zu betrachten, oder?
[00:05:56] Matthias: Du sagst es. Also Jakobsen behauptet nicht, dass Personas ausgedient haben, also wie Dalinen andeutet, aber er sagt, dass sie sich halt weiterentwickelt.
Er spricht von einem Trend, der einige Experten wie Alan Clement oder Indy Young vorantreiben. Diese schlagen halt vor, demografische Angaben wie Alter oder Geschlecht ganz aus den Personas rauszunehmen. Also die Idee dahinter ist, dass der Fokus auf Demografie oft zu Stereotypen führt, die das tatsächliche Verhalten und die wahre Motivation der Nutzerin nicht wirklich wieder abbildet.
[00:06:31] Frede: Guter Gedanke. Und wenn man jetzt darüber nachdenkt, dann ist es halt tatsächlich irgendwie ziemlich leicht, in Stereotypen zu verfallen, wenn man Alter oder Geschlecht in eine Persona aufnimmt. So nach dem Motto, ein 50-jähriger Mann denkt bestimmt so und so oder eine 25-jährige Frau wird wohl so und so handeln.
Das könnte auf jeden Fall zu schlechten Designentscheidungen führen.
[00:06:54] Matthias: Ja, genau so ist es. Also Jakobsen spricht ja klar über die Vorteile dieses Ansatzes Er sagt hier, dass das Entfernen dieser Oberflächendetails UXler dazu zwingt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, also nämlich auf das Verhalten, die Ziele und die Motivation der Nutzer Dadurch werden die Personas inklusiver und das Risiko voreingenommen Designentscheidungen zu treffen, wird ganz einfach reduziert.
[00:07:16] Frede: So, jetzt müssen wir aber nochmal kritisch nachfragen, das mache ich ja ganz besonders gerne.
[00:07:20] Matthias: Gibt es
[00:07:21] Frede: nicht auch Nachteile, wenn man diese Details weglässt? Was? Könnte das eventuell möglich sein? Sind demografische Angaben nicht hilfreich, um Empathie für NutzerInnen aufzubauen?
[00:07:32] Matthias: Ja klar, also Jakobsen erkennt das an.
Ohne Alter und Geschlecht können sich Personas wenig konkret anfühlen, also weniger menschlich sozusagen. Und das könnte für UXler schwieriger sein, dann sich mit dieser Persona zu identifizieren, etwas für diese zu gestalten. Also da sie halt mit diesen menschlichen Aspekten eigentlich mehr greifbarer ist und in dem Fall halt weniger.
Und außerdem betont er, dass Personas selbst, wenn sie auf diese Weise erstellt werden, immer noch auf echter Forschung basieren müssen. Also sonst laufen die halt Gefahr, genauso abstrakt und hypothetisch zu sein wie vorher. In dem Zusammenhang verweist er auch nochmal auf... Einen klassischen Artikel von Steve Portigal aus dem Jahr 2008 und auch den werden wir doch mal zu dem Thema in den Shownotes verlinken.
Da
[00:08:16] Frede: ist jetzt eigentlich schon Zeit für Glühwein, ja, oder?
[00:08:20] Matthias: Wie oft sagen wir heute das Wort Shownotes?
[00:08:22] Frede: Ja, aber erst, wenn ich wieder gesund bin, dann können wir das machen. Aber genau, was du gesagt hast, ist ja ein super wichtiger Punkt und dann klingt es ja auch so, als würde Jakobsen sagen, dass Personas nicht vollständig durch KI ersetzt werden können, oder?
[00:08:35] Matthias: Genau, also Jakobsen warnt davor, sich zu sehr auf KI zu verlassen wenn es um die Erstellung von Personas geht. Also KI kann hier zwar Personas simulieren, Oder bei einer Erstellung helfen, aber sie ist immer noch anfällig für Vorurteile. Wir hatten das ja auch bei der DIN. Also besonders, wenn KI halt auf fehlerhaften Daten basiert.
Also das ist ein Thema, womit wird trainiert. Und er stellt halt auch klar, dass eine echte qualitative Nutzerforschung unverzichtbar ist, wenn man diese Fallstricke vermeiden will. KI ist ein Werkzeug, sagt er, aber kein Ersatz für echte Einblicke in die Welt der Nutzer. Okay,
[00:09:13] Frede: dann lass uns das vielleicht mal folgendermaßen zusammenfassen.
Es geht eher darum, die Werkzeuge die wir haben, zu verbessern, statt sie komplett über Bord zu werfen. Also beide Ansätze, KI-gestützte Personalisierung und die Weiterentwicklung von Personas, haben ihren Platz im modernen UX-Design. Und als DesignerInnen sollten wir kritisch bleiben und sicherstellen, dass wir diese Werkzeuge weise nutzen.
Apropos kritisch bleiben, da sind wir wieder beim Thema. Ich würde jetzt natürlich wahnsinnig gerne wissen, wie ihr da draußen über die Themen denkt. Tendiert ihr mehr zur KI-gestützten Personalisierung wie Darlene oder seht ihr noch immer den Wert in der Weiterentwicklung von Personas so wie Jens?
[00:09:54] Matthias: Ja bitte, auf jeden Fall.
Gebt uns Feedback. Wir würden uns da wirklich sehr freuen, eure Meinung zu hören. Also teilt uns eure Erfahrungen mit. Habt ihr Personas bereits komplett auf KI-basierte Insights umgestellt? Oder habt ihr neue Wege gefunden, Personas in eurem Designprozess zu integrieren und relevant zu halten? Schreibt uns gerne auf Social Media oder über Spotify die Kommentarfunktion oder einfach auf unsere Webseite.
Und
[00:10:15] Frede: bleibt auf jeden Fall dran, denn gleich sprechen wir über praktische Tipps wie ihr KI in eure Designsysteme integrieren könnt. Ohne dabei den menschlichen Touch zu verlieren. Und apropos KI, unser Arbeitskreis Künstliche Intelligenz hat da auch etwas Tolles für euch im Petto. Mensch, diese Überleitungen, wer denkt die sich nur aus?
[00:10:35] Matthias: Wahnsinn.
[00:10:36] Frede: Und zwar hat der Arbeitskreis ein offenes Miro-Board erstellt, auf dem ihr nützliche Tools, Empfehlungen und Tutorials rund um das Thema Künstliche Intelligenz findet. Und da es natürlich super viel Weiterentwicklung in dem Thema gibt, das merken wir ja jetzt alle in der letzten Zeit, ist es ein Living Document.
Das heißt, ihr könnt immer wieder gerne vorbeischauen und findet sicherlich etwas Neues darauf. Und damit würde ich sagen, schauen wir mal weiter, was gerade in der UX und Usability-Branche neben Künstliche Künstlicher Intelligenz doch so abgeht. Ja,
[00:11:09] Matthias: und machen wir weiter mit einem Thema, das auch seit Jahren in der Werkstatt für viel und ordentlich Gesprächsstoff sorgt, die heilige Graalfrage wie viele Teilnehmende braucht eine Usability-Studie?
Also sind es wirklich die magische Zahl von fünf oder hängt es am Ende doch wirklich immer von der Situation ab?
[00:11:28] Frede: Von der Zahl habe ich auf jeden Fall auch schon gehört, fünf NutzerInnen decken 85 Prozent der Usability-Probleme auf. Richtig?
[00:11:35] Matthias: Genau. Also wenn es mal so einfach wäre. Du kennst das ja, es kommt drauf an.
Also es ist auf jeden Fall eine verlockende Idee, dass man mit fünf immer auskommt. Aber wie bei den meisten Dingen im UX-Bereich es kommt halt wirklich auf den Kontext drauf an. Ich habe dazu kürzlich einen Artikel von... Jim Lewis und Jeff Sorrow von Measuring You gelesen. Der eine heißt Sample Sizes for Usability Studies.
One Size Does Not Fit All. Und sie erklären das Ganze auf eine sehr praxisnahe Weise und weisen darauf hin, dass der Typ der Usability-Studie einen großen Einfluss hat, was die richtige Stichprobengröße eigentlich ist.
[00:12:16] Frede: Jetzt hast du mich aber ganz schön neugierig gemacht. Welche Arten von Usability-Studien haben denn nun einen Einfluss auf die Anzahl der benötigten Teilnehmenden?
[00:12:24] Matthias: Genau, darauf gehen sie in dem Artikel drauf ein und unterteilen in drei Haupttypen. Einmal Problemaufdeckung, Schätzung und Vergleich. Also bei Problemaufdeckung, was meistens das ist, woran man bei formativen Studien denkt, geht es darum, so viele Usability-Probleme wie möglich zu identifizieren. Dann gibt es die Schätzung, wo es mehr darum geht, etwas zu quantifizieren, also zum Beispiel eine Bewertung, also zum Beispiel nach dem System Usability Scale.
Und letztendlich der Vergleich, also wie der Name schon sagt, vergleicht man Metriken zwischen zwei oder mehr Designs. Der Clou ist hier, dass die unterschiedlichen Ziele verschiedene Herangehensweisen bei den Stichprobengrößen erfordern.
[00:13:05] Frede: Okay, verstehe. Also kann man nicht einfach dieselbe Anzahl an Teilnehmenden für jede Studie nehmen und die gleichen Ergebnisse erwarten.
[00:13:14] Matthias: Vollkommen richtig. Also es gibt hier keine Lösung nach dem Motto One Size Fits All, sondern Luis und Zaro machen es hier sehr deutlich Also zum Beispiel geben Sie für die Problemaufdeckungsstudien eine Formel an, um zu berechnen, wie viele Teilnehmende man braucht, basierend darauf, wie wahrscheinlich es ist, dass man ein Problem finden möchte.
[00:13:37] Frede: Juhu, eine Formel. Wir freuen uns alle wahnsinnig. Moment, ich kramme mal in meinem Gedächtnis. Es geht um die Wahrscheinlichkeit mindestens einmal ein Problem zu finden und das entspricht 1 minus der Wahrscheinlichkeit das Problem nicht zu finden.
[00:13:51] Matthias: Nicht? Genau so, auf den Punkt. Also die Formel funktioniert so.
Es geht darum, herauszufinden, wie wahrscheinlich ist es, dass du in deinem Usability-Test mindestens ein Problem findest. Also du nimmst die Wahrscheinlichkeit dass ein bestimmtes Problem auftaucht, nennen wir das mal die Problemwahrscheinlichkeit und nutzt das, um zu berechnen, wie viele Teilnehmende du zum Testen brauchst.
Ich versuche es mal am Beispiel zu erklären. Stell dir vor, es gibt eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass ein Problem auftritt, also sagen wir mal 30%. Die Formel hilft dir dann dabei herauszufinden, mit wie vielen Leuten du testen musst, damit du das Problem mindestens einmal findest. Je mehr Leute du testest desto größer ist natürlich auch die Chance, das Problem zu entdecken.
Wenn das Problem oft auftritt, brauchst du natürlich nicht zu viel teilnehmen. Aber wenn es eher selten ist, musst du mit mehr Menschen testen. Also logischerweise um halt hier sicher zu gehen, dass du es auch wirklich erwischst. Die Formel gibt dir also eine Methode an die Hand, um genau zu berechnen, wie viele Teilnehmende du brauchst um mit gutem Gefühl sagen zu können, dass du die meisten Probleme gefunden hast.
[00:15:01] Frede: Das ist schon echt ziemlich clever. Aber jetzt bin ich natürlich schon ganz nervös geworden, weil wie passt das denn jetzt mit unserer fünf teilnehmenden Regel zusammen? Ist die dann überhaupt noch gültig?
[00:15:12] Matthias: Ja, gute Frage. Also hier wird es ein bisschen differenzierter. Diese magische Zahl 5 stammt aus Forschungen von Virzi aus dem Jahr 1990 und von Nilsson und Landauer aus dem Jahr 1993.
Sie fanden heraus, dass man mit fünf Teilnehmenden etwa 80 bis 85 Prozent der Usability-Probleme in diesen Problemaufdeckungsstudien finden kann. Also diese Zahl hat sich dann festgesetzt und... Du kennst das auch am besten, die wird heute noch überall verwendet.
[00:15:43] Frede: So, jetzt arbeiten wir mittlerweile seit fünf Jahren, da ist hier wieder die magische Zahl 5 zusammen.
Und da weiß ich ja, dass es bestimmt noch ein Aber gibt.
[00:15:50] Matthias: Genau, also du sagst es. Also der springende Punkt ist, dass diese Zahl von 5 halt nur unter bestimmten Bedingungen zutrifft. Also sind wir wieder bei dem Beispiel mit dieser 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit dass ein Problem auftritt und wir halt das Ziel haben, 85 Prozent der Probleme aufzudecken.
Dann passt das so. Aber wenn sich die Situation ändert, sagen wir, die Probleme sind seltener oder du willst 95 Prozent der Probleme anstatt 85 Prozent finden, dann reichen halt die fünf Teilnehmenden möglicherweise nicht mehr aus. In solchen Fällen brauchst du einfach mehr Leute, um dann halt alle oder mehr Probleme zuverlässig aufzutecken
[00:16:25] Frede: Es gibt bestimmt ein Aber bei dieser ganzen Geschichte.
[00:16:29] Matthias: Genau so ist. Also genau da kommt der zweite Artikel von den beiden ins Spiel und der heißt What you get with specific sample sizes in UX-Problem Discovery Studies. Mensch
[00:16:40] Frede: ja, der geht rein ins Ohr und der bleibt da. Genau
[00:16:45] Matthias: Also auch von den beiden, von Louis und Sauron. Und der behandelt das Gleichgewicht zwischen der idealen Stichprobengröße und den logistischen Einschränkungen.
Also wir kennen das ja. Also nicht jeder hat die Zeit, unendlich Zeit und unendlich Ressourcen um Studien mit, sagen wir mal, 25 oder 50 Teilnehmenden durchzuführen.
[00:17:06] Frede: Und Sie erwähnen in dem Artikel sogar, dass man, wenn man beispielsweise 18 Teilnehmende anvisiert, am Ende vielleicht 18 Weniger hat, weil, wir kennen es auch alle, Leute nicht erscheinen oder die Zeit knapp wird.
Es geht also nicht nur darum, was statistisch empfohlen wird, sondern auch, was realistisch machbar ist, wie so oft im Leben.
[00:17:25] Matthias: Genau, absolut. Also hier geht es wirklich um realistische Ziele zu setzen. Und sie erklären auch, was du mit verschiedenen Stichpunktengrößen tatsächlich aufdecken kannst. Also bei dem ersten Artikel.
Also mit zehn Teilnehmern hast du zum Beispiel eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit 97 Prozent von häufig auftretenden Problemen zu finden. Also die halt etwa 30 Prozent der Nutzer betreffen. Aber wenn du versuchst, seltene Probleme zu finden, die nur ein Prozent der Nutzerinnen betreffen, sinkt deine Chance erheblich.
Also selbst mit 25 Teilnehmern hast du vielleicht nur eine etwa 22-prozentige Chance, dann diese ganz seltenen Probleme zu entdecken.
[00:18:05] Frede: Wow, das ist ja echt ein riesiger Unterschied. Nicht schlecht. Also kleine Stichproben sind also super, um häufige Probleme aufzudecken, aber nicht geeignet für seltene Probleme.
[00:18:16] Matthias: Exakt ja. Und sie betonen auch, dass diese zusätzlichen Teilnehmenden irgendwann weniger sogenannte Rendite bringen. Also du machst einen großen Sprung in der Wahrscheinlichkeit Probleme zu entdecken wenn du von 5 auf 10 Teilnehmenden gehst. Aber der Sprung von 20 auf 25 bringt dann halt nicht mehr so viel.
[00:18:34] Frede: Das ergibt Sinn. Es klingt also so, als wäre die Quintessenz, dass fünf Teilnehmende für manche Studien ausreichen, es aber keine feste Regel ist. Man muss wirklich den Studientyp die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Problemen und seine Ziele im Auge behalten. Und dann darf man natürlich auch die realen Bedingungen wie Budget und Zeit nicht aus den Augen verlieren.
[00:18:56] Matthias: Absolut, ja. Und genau das betonen Louis und Sauer immer wieder in beiden Artikeln Es gibt keine universelle Stichprobengröße für alle Usability-Studien. Du musst dir wirklich auf den Kontext achten und entsprechend anpassen, je nachdem halt, ob du formative oder summative Forschung betreibst und je nachdem natürlich nach den praktischen Rahmenbedingungen deines Projektes, also Zeit Geld und so weiter.
[00:19:18] Frede: Ich finde echt supidupi, dass sie alles auf Daten basieren lassen. Man rät also nicht einfach ins Blau hinein wenn man die Stichprobengröße auswählt. Man trifft eine informierte Entscheidung.
[00:19:29] Matthias: Ich denke, das ist die wichtige Erkenntnis hier. Es geht nicht nur darum, sich an eine willkürliche Zahl wie 5 zu halten, sondern darum, Die Ziele deiner Studie wirklich zu verstehen und dann Werkzeuge wie zum Beispiel die Formel zu nutzen, um die Entscheidung klüger zu treffen.
[00:19:46] Frede: Auf jeden Fall. Und ich denke, das ist auch ein super Übergang um unsere Zuhörerinnen dazu aufzufordern, kritisch über ihre eigenen Studien nachzudenken. Wenn du als UX-Profi gerade zuhörst, würden wir natürlich gerne von dir hören, wie gehst du mit der Frage der Stichprobengröße um? Und vertraust du auf die magische Zahl 5 oder hast du deine eigenen Faustregeln?
[00:20:08] Matthias: Du sagst es. Also lasst uns wissen, wie ihr das mit euren Usability-Studien handhabt. Du kannst uns jederzeit wie schon erwähnt über unsere Social-Media-Kanäle erreichen oder natürlich über Spotify-Kommentare Ich sage es nochmal. Und den Link zu den Artikeln ich nehme mir meine Tasse Glühwein gleich wendest du natürlich in den Show Notes.
[00:20:30] Frede: Sehr gut. Und genau, schaut da unbedingt rein. Und sie haben da wirklich eine fantastische Forschung betrieben Und es lohnt sich wahnsinnig das zu lesen wenn du die Feinheiten der Stichbogengröße bei Usability-Tests verstehen willst.
[00:20:43] Matthias: Genau. Und apropos Neues aus der Forschung. Es gibt ja bald wieder einen ganzen Tag mit ganz vielen spannenden Vorträgen, wo Neues aus der Forschung berichtet wird und es viele Praxisberichte gibt.
Denn es ist...
[00:20:54] Frede: World Disability Day! Wuhu! Am 14. November ist es wieder soweit und wir feiern... Weltweit sogar Usability und natürlich wird es auch in Österreich, Deutschland und der Schweiz wieder viele, viele tolle Angebote für euch geben und viele, viele Veranstaltungen und wie in jedem Jahr steht der World Usability Day unter einem bestimmten Motto und in diesem Jahr ist es Designing for a Better World.
Auf unserer Webseite aber auch auf unseren Social Media Kanälen findet ihr einen Überblick über die einzelnen Standorte und deren Programme und wir würden uns wahnsinnig freuen, wenn ihr eure Wut-Erlebnisse mit uns teilen würdet. Lasst uns einfach über Social Media einen Kommentar da, verlinkt uns und zeigt uns, wie ihr Usability an diesem besonderen Tag feiert.
Und apropos da sind wir wieder beim Thema Überleitung, Designing for a Better World. Super wichtiges Thema, super schönes Motto und wir hatten dazu tatsächlich auch schon mal eine Keynote auf der Mensch und Computer 2022 in Darmstadt, wenn ich mich recht erinnere. Dieser Vortrag ist natürlich aufgezeichnet worden.
Und in unserer Mediathek zur Verfügung gestellt worden. Und in unserer Mediathek findet ihr nicht nur Vorträge von 2022, sondern auch unsere neuesten und aktuellsten UX-Chats und Webinare und Panel-Diskussionen. Schaut da also super gerne mal vorbei und genießt die Inhalte einfach nochmal. Und nach den ganzen schönen Themen, die wir jetzt gerade hatten, also zumindest der World Usability Day, unsere coole Mediathek blicken wir mal auf, Nicht so schöne Seiten.
[00:22:28] Matthias: Ja genau, also kommen wir mal zum kontroversesten Thema für heute, basierend auf einem Artikel von Path Unbound auf UXplanet veröffentlicht. Der Titel des Artikels lautet Die hässliche Realität der UI-UX-Branche. Und das ist ein ziemlich aufschlussreicher Artikel über einige der weniger bekannten Herausforderungen in unserem Bereich, die viele angehende UXlerinnen vielleicht gar nicht so erwarten.
[00:22:54] Frede: Ja so auf den ersten Hörer klingt das vielleicht nach einem krassen Titel aber ich habe den Artikel auch gelesen und... Wow, der zerstört wirklich einige der rosigen Vorstellungen, die man vielleicht über die Branche hat. Ich meine, wir alle haben schon vom Traumjob im UI-UX-Design gehört. Gutes Gehalt, Kreativität, Flexibilität, aber Path Unbound legt da wirklich den Finger in die Wunde und zeigt einige, sagen wir mal, unangenehme Wahrheiten auf.
[00:23:23] Matthias: Ja, das trifft es ganz gut. Also eins der größten Aha-Erlebnisse für viele der Lesenden wird halt aus dem Artikel sein, wie sehr sich die Realität der UX-Arbeit von dem unterscheidet, was man in der Schule lernt. Also Path Unbound spricht hier über diese Diskrepanz zwischen... Den strukturierten, lehrbuchartigen Designprozessen, die man halt lernt und dann halt den chaotischen, schnelllebigen Arbeitsabläufen, die man in den realen Projekten dann antritt.
[00:23:51] Frede: Da kann ich mir auf jeden Fall gut vorstellen, dass das einige überrascht. Sie haben auch gesagt, ich zitiere der UI-UX-Prozess, den du in der Schule lernst, ist eine Fantasie Das ist eine ziemlich gewagte Aussage aber macht, wenn man genauer drüber nachdenkt absolut Sinn. In der Schule ist alles super organisiert und sehr vorhersehbar.
Jeder Schritt folgt dem Nächsten aber im echten Leben, da wissen wir alle, dass es manchmal ziemlich chaotisch werden kann und man ziemlich oft improvisieren muss.
[00:24:23] Matthias: Ja, und das zeigt wirklich mal wieder, wie wichtig halt Flexibilität ist. Und & Bound betont ja auch, dass in den meisten Unternehmen die Prozesse alles andere als ordentlich sind.
Jedes Projekt fühlt sich komplett anders an und sie folgen oft nicht halt diesen idealen Schritten die man halt kennt und die man beigebracht bekommen hat. Also es geht halt viel weniger um... Prozesse zu folgen und mehr darum, Probleme spontan zu lösen. Also besonders, wenn man halt in Teams arbeitet, auch noch das Thema Kollaboration und dann halt auch noch andere Mitarbeiten hat mit unterschiedlichen Knowledge-Leveln und halt auch abhängig natürlich vom Design-Reifegrad oder vom UX-Reifegrad des Unternehmens.
[00:25:08] Frede: Ah ja, da sind wir auch wieder bei einem absoluten Pain-Point. Die unterschiedlichen Reifegrade im Design waren ja auch ein großes Thema im Artikel. Nicht jedes Unternehmen schätzt Design auf die Reifegrade Dieselbe Weise. Leider muss man sagen. Path & Bound spricht darüber, wie manche Firmen UX in ihre Kernprozesse integriert haben, während andere, naja, sagen wir mal vorsichtig, noch nicht ganz so weit sind.
Und das kann für DesignerInnen natürlich unfassbar frustrierend sein, weil sie sich isoliert oder nicht unterstützt fühlen.
[00:25:41] Matthias: Auf jeden Fall, ja. Also Da gibt es ein Zitat von der Nielsen Norman Group, auf den Sie sich im Artikel beziehen, was es halt relativ gut auf den Punkt bringt und zwar Unternehmen mit geringer UX-Reife integrieren oft keine Nutzerforschung in ihre Prozesse, was UXlern das Gefühl gibt, im Dunkeln zu arbeiten.
Also es kann sich so anfühlen, als ob die eigenen Ideen in einem Vakuum gefangen sind und dass das Überzeugen der Stakeholders fast zu einer unschaffbaren Herausforderung führt, habe ich in der Vergangenheit auch schon so erlebt. Ein
[00:26:14] Frede: klassischer Kampf gegen Windmühlen, wenn die Unternehmenskultur nicht auf nutzerzentriertes Design ausgelegt ist, würde ich mal sagen.
Und ich könnte mir auch vorstellen, dass das oft zu Burnout führen kann, besonders wenn es an den richtigen Unterstützungssystemen fehlt. Path & Bound spricht es auch an. Sie erwähnen, dass einige Unternehmen erwarten, dass DesignerInnen komplett alleine arbeiten, ohne viel Anleitung oder Feedback. Und naja, wie realistisch das ist, wissen wir alle.
Und so ein Umfeld kann halt einfach im negativsten Sinne überwältigend sein.
[00:26:48] Matthias: Ja, absolut. Ja, also Autonomie ist für manche super. Aber es ist halt nicht das Richtige für alle. Das kennen wir eigentlich alle aus unserem Umfeld. Und wenn es keinen Feedback-Prozess gibt, dann kann das wirklich extrem stressige Situationen hervorrufen.
Vor allem wenn man, wie Pass & Bound es hier nennt, die Fehler anderer aufräumen muss. Ich habe das auch schon selbst erlebt. Du übernimmst halt alte, chaotische Designsysteme und Projekte oder es gibt halt schon bestehende, verwirrende Arbeitsabläufe und ein Teil deiner Arbeit besteht erstmal darin dieses ganze Chaos zu sichten, zu entwirren, bevor man überhaupt etwas Neues anfangen kann.
[00:27:25] Frede: Das klingt echt unglaublich frustrierend. Und apropos Frustration, Sie sprechen ja auch darüber, dass UX-Arbeit oft unsichtbar ist. Das fand ich wirklich spannend, denn im Gegensatz zu visuellem Design, wo die Ergebnisse oft direkt sichtbar sind, passieren UX-Verbesserungen oft hinter den Kulissen. Es ist nicht immer offensichtlich wie viel Gedanken und Arbeit in die Schaffung einer besseren Nutzererfahrung geflossen sind.
[00:27:52] Matthias: Oh ja, das ist echt eine häufige Herausforderung in unserem Bereich. Also wie Pass and Bound ist gut formuliert hier. In einer Welt, in der UX oft hinter visuellen Elementen versteckt ist, müssen UXler ständig für den Wert eintreten, den sie für die User Experience erbringen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich in Stakeholder-Meetings saß und erklären musste, warum so etwas Einfaches wie das Verbessern der Platzierung eines Buttons oder das Verfeinern eines User Flows Stunden an Tests und Iterationen erfordert hat.
[00:28:26] Frede: Ja, das kann ich mir vorstellen, dass das echt anstrengend ist. Da können wir wahrscheinlich einfach zusammenfassen, dass es in der UX-Branche wahnsinnig wichtig ist, für die eigene Arbeit einzustehen. Und es scheint leider auch so, dass sich DesignerInnen damit abfinden müssen, dass ihre Arbeit im Laufe des Prozesses verändert oder sogar komplett unkenntlich gemacht wird, wenn sie durch verschiedene Teams geht.
Python Bound spricht auch darüber, nämlich wie man in großen Organisationen so viele Iterationen durchläuft Dass man das ursprüngliche Design kaum noch wieder erkennt.
[00:28:58] Matthias: Ja, genau. Also das ist ja dieser kollaborative Charakter unseres Jobs. Und das kann halt auch für manche schwer zu akzeptieren sein.
Also man steckt halt so viel Herzblut in das Design und dann, zack wird es von anderen Teams halt komplett umgekrempelt. Und das ist etwas, wo jeder UXler sich mit abzetteln muss. Und manchmal geht es halt nicht nur um Designänderungen. Manchmal kann es auch sogar ein Konflikt mit den eigenen ethischen Vorstellungen sein.
[00:29:21] Frede: Hm, super schwieriges Thema. Aber dieser Teil des Artikels ist mir auf jeden Fall auch aufgefallen, wie DesignerInnen gebeten werden könnten, etwas zu entwerfen, das ihren moralischen Werten widerspricht. Das Beispiel, das sie nennen, wie Dark Patterns oder Designs die Profile über das Wohl der Nutzer entstellen, erinnert mich ein bisschen an die Diskussionen, die durch die Doku The Social Dilemma ausgelöst wurden.
Das ist wirklich eine super, super schwierige Position für DesignerInnen.
[00:29:49] Matthias: Also absolut, ja. Also für... Einige Wechseler, es ist wirklich ein moralisches Dilemma, in dem sie sich da finden. Path Unbound betont, dass es Teil des Jobs ist, diese ethischen Herausforderungen zu erkennen und zu bewältigen, insbesondere wenn die Unternehmensziele nicht mit den eigenen Werten übereinstimmen.
Also man muss sich dann entscheiden, ob man dagegen hält oder letztendlich halt auch den Job hinschmeißt.
[00:30:13] Frede: Und wenn man jetzt denkt, dass der Freelance-Weg die Lösung wäre, dann hat man sich leider auch ein bisschen geschnitten. Denn Path Unbound spricht auch über den schrumpfenden Freelance-Markt im UI-UX-Design.
Es ist nicht mehr so flexibel wie viele denken, besonders mit so vielen neuen DesignerInnen die nach der Pandemie in den Bereich geströmt sind, ist der Wettbewerb einfach super, super hart.
[00:30:34] Matthias: Du sagst ja. Und auch noch mit dem Aufkommen von KI wird der Wettbewerb ja noch härter. Und das ist auch ein wichtiger weiterer Punkt, den Sie hier ansprechen.
KI automatisiert ja viele der grundlegenden UX- und Designaufgaben. Und dazu gibt es auch einen Artikel von TechCrunch und die schreiben dazu, Automatisierung, insbesondere mit dem Aufkommen von KI, verändert die Art und Weise, wie UX-Designerinnen an ihre Arbeit herangehen. Es wird immer wichtiger, sich neue Fähigkeiten anzueignen um mit den Entwicklungen Schritt zu halten.
Ja, dem kann ich nur zustimmen. Man muss sich hier also ständig weiterentwickeln, insbesondere wenn man jetzt auf diesen zunehmend gesetzten Markt schaut und halt selbst relevant bleiben will.
[00:31:14] Frede: So jetzt schauen wir uns mal tief in die Augen. Angesichts all dieser Herausforderungen die chaotischen Prozesse, der Mangel an Unterstützung, die ethischen Dilemmata, was ist denn jetzt die Quintessenz für die angehenden DesignerInnen Sollen sie aufgeben
[00:31:31] Matthias: Genau, lasst uns das hier alles einstampfen, UX, letzte Ausgabe.
Das
[00:31:35] Frede: war's mit der German UPA. Wir streichen die Segel.
[00:31:39] Matthias: Also, auf keinen Fall natürlich. Und das betont auch Path Unbound, die enden hier sozusagen mit der Silver Lining. Also sie sagen, der Schlüssel ist, die Unordnung zu akzeptieren und flexibel zu bleiben. Also es geht darum, Also salient zu sein und sich halt auf diese Veränderung diese stetigen Veränderungen einzustellen und das eigene Skillset ständig zu erweitern.
Also du musst halt einfach neue Dinge lernen, sei es Führung, sei es visuelles Design oder sei es im KI-Bereich. Also der Weg ist wirklich ständig am Ball zu bleiben.
[00:32:15] Frede: Ich finde, das ist echt ein grandioser Ansatz. Also es geht nicht darum, aufzugeben, sondern flexibel zu bleiben und nie mit dem Lernen aufzuhören.
Ich denke, das ist ein hervorragender Ratschlag für jede Karriere und auf jeden Fall auch ein guter Grund, in den Berufsverband einzutreten.
[00:32:32] Matthias: Genau, unbedingt. Also schaut gerne auf unsere Webseite. Und wenn ihr ähnliche Erfahrungen in der UX-Branche gemacht habt, dann würden wir sehr freuen, von euch zu hören.
Also meldet euch gerne mit euren Geschichten, würde uns sehr interessieren.
[00:32:42] Frede: Genau, und von diesem sehr ernst. Und etwas herunterziehenden Thema könnten wir uns ja jetzt mal einem schönen Thema zuwenden
[00:32:52] Matthias: Das wär's ja.
[00:32:53] Frede: Und
[00:32:53] Matthias: zwar gab's ein schönes Event vor kurzem und zwar die Smashing Conference in New York und Luke Wroblewski, also einfacherweise auch Luke W.,
wie er sich selbst nannte, war vor Ort und hat ein paar wirklich interessante Einblicke zu den Vorträgen, die er da gehört hat, gesammelt. Er
[00:33:11] Frede: ist ja echt eine Legende im UX-Bereich. Mobile-First und Webform-Design sind mittlerweile quasi UX-Bibeln und er ist immer ganz vorne mit dabei, wenn es um neue Entwicklungen im Design geht.
[00:33:24] Matthias: Genau, deswegen habe ich mich auch sehr gefreut dass er da war und über die Konferenz geschrieben hat. Und in seinem Blogpost geht er auf zwei schöne Präsentationen ein, die er da gehört hat. Einmal auf den Vortrag von Carrie Fisher über KI und Barrierefreiheit Hey, mal wieder was mit KI. Und dann einmal auf den von Brad Frost über die Frage, ist Atomic Design tot?
Beide Präsentationen über die Luke hier berichtet, sind halt voller Ideen die uns wirklich zum Nachdenken über die Rolle von KI in Designsystemen und Barrierefreiheit anregen. Und Luke fängt das eigentlich ganz gut ein, muss ich sagen.
[00:33:57] Frede: Lass uns vielleicht mal mit dem Vortrag von Carrie Fischer anfangen wie man KI nutzt um barrierefreie Produkte zu entwickeln.
Laut Luke Sotizen hat sie sich darauf konzentriert wie KI-Tools wie GitHub Copilot Barrierefreiheitsprobleme im Web-Development erkennen und beheben können. Das Potenzial von KI, Barrierefreiheitschecks zu beschleunigen, ist doch echt super vielversprechend oder?
[00:34:21] Matthias: Absolut, genau. Luke bzw. Carrie erklärt, dass KI-Tools barrierefreies Probleme viel schneller und konsistenter finden können als eine manuelle Prüfung durch Menschen.
Sie betont bei ihrem Vortrag dass über eine Milliarde Menschen irgendeine Form von Behinderung haben. Deshalb ist es nicht nur eine ethische Verpflichtung, digitale Erlebnisse barrierefrei zu gestalten, sondern auch eine rechtliche. Wir kennen das alle mit dem Gesetz, das dieses Jahr in Kraft tritt aber...
Das ist ein anderes Thema. Und dann auch ganz zu schweigen von den weiteren Vorteilen wie SEO oder ein besseres Marken-Image. Und die Fähigkeit von KI, Muster im gesamten Code zu erkennen, kann hier in dem Kontext wirklich bahnbrechend sein.
[00:35:03] Frede: Und es geht ja nicht nur darum, Probleme zu finden. KI kann auch gleich Lösungen vorschlagen.
[00:35:08] Matthias: Vollkommen richtig. Also der Blogpost beschreibt hier Carys Erfahrung, wie KI-Tools wie Copilot nicht nur Probleme erkennen, sondern gleich die Lösungen dafür vorschlagen. Sie erwähnen sogar hier die Möglichkeit, KI in die Pipeline zu integrieren, sodass Barrierefreiheitstests automatisch bei jedem Commit automatisch durchgeführt werden.
Also das bedeutet, dass EntwicklerInnen in Echtzeit, also während sie ihren Code schreiben, Vorschläge erhalten können, um ihre Software direkt barrierefrei zu machen.
[00:35:36] Frede: Aber das ist doch jetzt sicherlich auch nicht ganz narrensicher, oder? Carrie muss bestimmt auch auf die Grenzen von KI hingewiesen haben.
[00:35:45] Matthias: Hat sie, hat sie Auf jeden Fall. Also, Luca hat das auch gut festgehalten. Also, während KI großartig daran ist, Probleme auf Code-Ebene zu erkennen, können halt komplexere Barrierefreiheitsprobleme also solche, die halt ein Verständnis des Kontexts erfordern oder ein tieferes Verständnis der User Experience selber erfordern, können halt von der KI leicht übersehen werden.
Und dann kommt dazu, das kennen wir alle, KI kann halt manchmal halluzinieren Und formuliert halt Lösungen oder Vorschläge, die entweder gar nicht funktionieren oder halt unverständlich sind. Also deswegen ist halt aktuell noch diese menschliche Aussicht absolut entscheidend.
[00:36:20] Frede: Also geht es darum, KI und menschliche Expertise zu kombinieren.
Luke hat ja auch erwähnt dass Kerry über das Schaffen einer Barrierefreiheitskultur gesprochen hat, oder?
[00:36:31] Matthias: Ja, genau das. Kerry ist der Meinung, dass wir durch die Kombination von KI-Tools mit menschlichen Werten und Urteilsverwürgen halt eine echte Kultur der Barrierefreiheit aufbauen können. Und Luke schreibt, dass der beste Ansatz daran besteht, diese KI-getriebenen Prozesse mit regelmäßigen Code-Reviews durch Menschen zu kombinieren, um dann halt sicherzustellen, dass einfach nichts mehr durchrutscht.
[00:36:55] Frede: Das ergibt echt total Sinn. KI bringt uns Geschwindigkeit und Skalierbarkeit aber wir brauchen trotzdem menschliches Einfühlungsvermögen und kritisches Denken. Klingt eigentlich nach einer Supi-Dupi-Partnerschaft.
[00:37:08] Matthias: Exakt. Luke fasst Carys Vortrag auch mit genau dieser Botschaft zusammen. Also der Schlüssel liegt nicht darin nur auf KI oder nur auf Mensch zu setzen, sondern auf Dieses richtige Gleichgewicht zwischen beiden und dann kann halt jede Seite ihr Stärken ausspielen.
[00:37:23] Frede: Dann lass uns jetzt vielleicht mal zu Brad Frosts Vortrag übergehen. Seine Frage war ja ziemlich gewagt, nämlich ist Atomic Design tot? Das klingt nach einer provokanten Herausforderung an eine der Kernmethoden im UX-Design, insbesondere von jemandem, der quasi Atomic Design erfunden hat.
[00:37:43] Matthias: Ja, das ist wirklich hier die große Frage.
Luke hat Brads Vortrag super eingefangen. Im Grunde hat Brad erstmal gestartet damit die Geschichte der Designsysteme und deren Entwicklung seit den frühen Tagen von HTML und CSS Bis hin zu modernen Tools wie Figma halt nachzuzeichnen. Und dann weist er halt darauf hin, dass Designsysteme in vielen Unternehmen fast isoliert geworden sind.
Also dadurch entsteht halt jetzt oft so eine Trennung zwischen den Product Teams und den Entwicklerteams halt in Bezug auf diese Designsysteme.
[00:38:14] Frede: Was meint Brad denn aber nun genau damit, dass Atomic Design tot ist? Ich dachte, es wird immer noch ziemlich häufig verwendet.
[00:38:22] Matthias: Es wird definitiv noch viel verwendet, aber Brad argumentiert, dass die Branche zu viel in Designsysteme als eigenständige Einheiten investiert hat.
Also Brad erklärt, Atomic Design sollte... Ursprünglich die Lücke zwischen der finalen Form des Produktes und den dahinterstehenden Design-Systemen schließen. Aber mittlerweile ist es halt oft so, dass diese Systeme überkomplex und abgeschottet sind. Also sie helfen den Product-Teams nicht mehr so effektiv wie sie es eigentlich sollten.
[00:38:51] Frede: Ah, verstehe. Es geht also darum, die Design-Systeme und die Produkt-Teams in Einklang zu halten, anstatt das System in eine eigene, abgeschottete Welt abdriften
[00:39:02] Matthias: zu lassen. Vollkommen richtig. Laut Luke hat Brad betont, dass die Entwicklerinnen von Design-Systemen Enger mit den Product Teams zusammenarbeiten müssen.
Also es sollte nicht darum gehen, strikte Regeln durchzusetzen, sondern eher einen sogenannten True-Gen-Kreislauf zu fördern, in dem sich das Produkt und das Design System gemeinsam weiterentwickeln und verbessern.
[00:39:26] Frede: Und wie passt jetzt KI da rein? Du hattest ja erwähnt, dass KI in beiden Vorträgen eine Rolle spielt.
[00:39:31] Matthias: Ja, wir müssen mal wieder über KI sprechen. Brad sieht hier KI als Möglichkeit, diese Lücke zu schließen. Also, dass KI-Modelle Code oder sogar Design-System-Komponenten in Echtzeit generieren können. Und damit halt das gesamte Designsystem flexibler und halt dynamischer machen können. Also stell dir mal vor, eine KI übersetzt eine Skizze direkt halt in eine Designkomponente und passt das dann in das Designsystem ein.
Oder hilft dir halt schnell so zwischen zwei verschiedenen Designframeworks hin und her zu wechseln. Also da sind halt die Möglichkeiten echt riesig was hier möglich ist.
[00:40:07] Frede: Das ist echt super faszinierend. In gewisser Weise könnte KI also das Problem lösen das Brett mit isolierten Designsystemen sieht, indem sie sie flexibler und reaktionsschneller auf reale Bedürfnisse macht.
[00:40:20] Matthias: Absolut korrekt ja. Aber Brett hat hier auch wichtige philosophische Fragen aufgeworfen. Also wenn KI immer mehr diese produktionsorientierten Aufgaben übernimmt, also wie das Generieren von Komponenten oder das Übersetzen von Design in andere Frameworks, gibt sie ja den Designern die Freiheit, sich auf...
Die wirklich wichtigen Probleme zu konzentrieren. Also Dinge wie kritisches Denken, Intuition oder halt mehr Kreativität. Und Bretts Botschaft war hier klar, KI ist jetzt Teil unseres Werkzeugkasten, aber wir dürfen halt nicht vergessen, dass wir als New Axler viel mehr zu bieten haben, als nur rechteckige auffallende Screens zu gestalten.
[00:41:00] Frede: Das ist doch wirklich eine super, super starke Erkenntnis. DesignerInnen sind nicht einfach nur Rädchen im Getriebe sie sind ProblemlöserInnen mit einzigartigen menschlichen Einsichten
[00:41:12] Matthias: Ja, das trifft es sehr gut. Lukes Blogpost fängt diese Balance, die sowohl Carrie als auch Brett gefordert hat, wirklich sehr gut ein.
Die Stärken der KI sollten wir nutzen, ohne dabei den Menschlich-Faktor zu verlieren der das Design wirklich bedeutungsvoll macht.
[00:41:29] Frede: Okay, also um das nochmal zusammenzufassen. KI ist definitiv gekommen, um zu bleiben und sie verändert schon jetzt, wie wir Barrierefreiheit und Designsysteme angehen. Aber sie ist kein Allheilmittel.
Wir brauchen das Gleichgewicht zwischen der Effizienz der KI und der menschlichen Expertise.
[00:41:49] Matthias: Auf den Punkt. Ja, also egal, ob es darum geht, Barrierefreiheitsprobleme zu erkennen oder dynamische Designsysteme zu erstellen. KI kann das alles beschleunigen, aber es braucht weiterhin uns hier die menschliche Komponente, um wirklich die Qualität und das Einführungsvermögen sicherzustellen.
[00:42:06] Frede: Das sind wirklich tolle tolle Einblicke und ich bin mir sicher, dass unsere ZuhörerInnen jetzt erstmal ganz schön viel zum Nachdenken haben. Wenn ihr mehr darüber lesen wollt, schaut euch unbedingt die vollständigen Blogposts von Luke über die Smashing Conf an.
[00:42:21] Matthias: Und apropos Events. Wir hatten ja vor kurzem Halloween und bei diesen ganzen dunklen Themen bleiben wir jetzt auch erstmal.
[00:42:27] Frede: Denn in dieser Ausgabe des UX und Usability Podcasts hatten wir Veronika Langer zu Gast und wir haben unter anderem über Dark Patterns gesprochen. Sie ist UX-Designerin bei Smart Cyber Security und gibt uns spannende Einblicke in die Welt des ethischen UX-Designs und stellt ihre vier Leitprinzipien vor.
Wie ich gerade schon ein bisschen angedeutet habe, Veronika spricht über die Herausforderung, ethische Überlegungen in den Designprozess zu integrieren und betont die Verantwortung, die wir als DesignerInnen tragen. Sie erläutert wie unsere Entscheidungen Individuen, Gesellschaft, aber auch die Umwelt beeinflussen können und warum es unbedingt wichtig ist, manipulative Praktiken wie die schon erwähnten Dark Patterns zu vermeiden.
Ich fand es super inspirierend und vor allen Dingen hat mich die Botschaft gefesselt, dass wir unsere Fähigkeiten nutzen sollten, um Positives zu bewirken. Und natürlich erwartet euch noch jede Menge mehr und ich wünsche euch jetzt ganz viel Spaß beim Interview. Hallöchen Veronika, schön, dass du heute bei uns bist.
Dann stell dich doch sehr gerne mal unserer Community vor. Wer bist du? Was machst du? Start einfach mal los.
[00:43:36] Veronika: Hi Friede danke, dass ich da sein darf. Ich bin Veronika Langner. Ich habe meinen Bachelor und Master in UX Design in Ingolstadt gemacht. Habe seitdem auch eigentlich immer als UX-Designerin, kurz mal als Content-Entwicklerin gearbeitet und arbeite aktuell als UX-Designerin bei Smart Cyber Security.
Bin nebenbei auch ein bisschen selbstständig und habe mich auch während dem Studium schon mit dem Thema Ethik auseinandergesetzt. Habe Abschlussarbeiten dazu geschieben und das Thema hat mich seitdem einfach nicht mehr losgelassen. Finde es sehr wichtig, deswegen befasse ich mich. Intensiv damit und bin auch Teil vom Arbeitskreis der German Opera, also vom Arbeitskreis Ethics.
[00:44:16] Frede: Cool, vielleicht fangen wir dann direkt mal mit so einer grundlegenden Frage an. Was sind denn so ethische Prinzipien die dich bei deiner Arbeit als UX-Designerin leiten? Ja
[00:44:26] Veronika: Also einmal gibt es ja auch vom Arbeitskreis Ethics den Code of Conduct, den man sich auch selber verpflichten kann, dass eben die eigenen Entscheidungen ethischen Standards entsprechen.
Darüber hinaus habe ich für mich auch nochmal vier Prinzipien festgelegt, die ich MORE nenne, also Meaningful, Openness, Responsible und Expertise. Also einmal, dass ich sinnvolle Software quasi für Menschen mache, weil ich der Meinung bin, Menschen sollten nicht mit sinnloser Software überflutet werden, sondern man sollte sich halt immer überlegen, was hat das jetzt für einen Impact auf den Nutzer, aber auch auf die Gesellschaft und die Umwelt.
Openness habe ich weil ich der Meinung bin, dass Ehrlichkeit und Transparenz einfach grundlegende Komponenten von erfolgreicher Kommunikation sind und man die auch, Benötigt einfach um gute Ergebnisse und einen guten Impact zu erzielen. Das R steht für Responsible. Human-Centered Design passt sich ja mit dem Nutzer und seinen Bedürfnissen.
Wir sollten aber nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft und die Umwelt gestalten und dann nichts außen vor lassen und unserer Verantwortung einfach Bewusstsein, die wir als Designer haben. Und dann, was mir noch wichtig ist, ist auch die Expertise, weil oft das Wissen das man für UX haben sollte, unterschätzt wird.
Wir wollen aber für den Menschen und die Gesellschaft gestalten und dafür brauchen wir einfach das Wissen über Design, Psychologie und Ethik. Genau, und das sind so die vier Pfeiler quasi. Die mich begleiten.
[00:46:02] Frede: Erstmal sehr gute Pfeiler, würde ich sagen. Für viele, denke ich mal, schon ein hilfreicher Leitfaden.
Was waren denn vielleicht so größere Herausforderungen, denen du gegenüberstandest wenn du versucht hast, ethische Überlegungen in deine Designs zu integrieren?
[00:46:18] Veronika: Also oft ist es natürlich Zeit. Ich glaube, das kennt jeder. Oft ist es so, dass im Arbeitsalltag schnell mal ein Design benötigt wird. Und dazu kommt noch, dass man häufig in Projekten einfach nur ein kleines Rad von einem großen System betreut was es dann auch einfach schwierig macht, das große Ganze zu betrachten, was ich aber auch für sehr wichtig halte.
Dann gibt es aber auch noch Kundenprojekte wo die Kunden schon so ein klares Bild vor Augen haben, die man dann wirklich bremsen muss und nochmal runterbrechen muss. Genau.
[00:46:50] Frede: Dann wechseln wir vielleicht mal zur dunklen Seite. Was sind denn häufige Dark Pattern, die dir in der UX-Praxis begegnen?
[00:47:00] Veronika: Also was ich immer so als Standardbeispiel nehme, wenn ich über Dark Pattern spreche, sind die Cookie Banner.
Das kennt jeder, es taucht auf jeder Seite auf. Da wird ja immer schon als Default quasi vorgegeben, dass man allem zustimmt. Es ist meistens eine sehr lange Liste, der man abstimmen muss. Das heißt, es wird sehr schwer gemacht. Die Option selbst zu konfigurieren, beziehungsweise der Aufwand dafür ist sehr hoch.
Die Option, dann alles abzulehnen, ist sehr verspeckt. Und die Option, einem zuzustimmen, wird hervorgehoben. Also da wird der Nutzer schon sehr in eine Richtung gedrängt, einfach einem zuzustimmen. Das machen die meisten auch, weil es einfach am wenigsten kognitiver Aufwand ist. Dazu kommt dann auch noch das Nagging.
Also es wird... Quasi gedrängelt wenn man jetzt einem ablehnt, dass der Banner dann immer wieder auftaucht dass man unter Druck gesetzt wird, doch zuzustimmen. Oder auch in Online-Shops sieht man zum Beispiel, es nennt sich Face Scarcity, das kennt man, wo gezeigt wird, dass nur noch eine bestimmte Menge an Produkten übrig ist, um auch den Nutzer wieder unter Druck zu setzen, um schnell einzukaufen.
Und dazu kommt dann auch noch Fake Urgency, das heißt, es kennt man, wenn dann zum Beispiel da steht, der Sale endet in drei Stunden irgendwas, da läuft dann ein Countdown. Auch wieder, was den Nutzer unter Druck setzen sollte, dass man so schnell wie möglich einkaufen muss. Das
[00:48:25] Frede: ist mir auf jeden Fall auch alles schon begegnet und gerade das mit dem Cookie-Banner.
Da bin ich auch eine Kollegin, die da einfach immer alle akzeptieren, damit man schnell durch diesen Schritt sozusagen durchkommt. Jetzt aber wieder zurück zu unseren ethnischen Überlegungen. Wann berücksichtigst du die im Designprozess und vor allen Dingen wie integrierst du die dann in deinen Arbeitsablauf?
[00:48:49] Veronika: Also generell ist es wichtig, Ethik wirklich als Grundbaustein zu sehen und den wirklich von Anfang an mit einzubeziehen und ständig mitzudenken. Also ich persönlich kann sagen, ich habe es ein bisschen leichter weil ich jetzt gerade bei dem Projekt bin, wo wir auch komplett auf der grünen Wiese quasi starten dürfen und wirklich klassisch gründlich Research machen können.
So ist es halt auch mir möglich, wirklich von Anfang an auch in der Research schon ethische Überlegungen mit einzubeziehen. Konkret wird es dann auch, wenn die Produktvision klarer wird, wo ich mir dann auch nochmal Gedanken mache, was jetzt das Produkt und auch bestimmte User-Stories beispielsweise für Auswirkungen haben können.
Also nicht nur auf den Nutzer, generell auf Individuen, Gesellschaft und Umwelt. Aber da sich aber auch die Produktvision im Laufe der Zeit wandelt ist es wichtig, sich halt immer weiter Gedanken zu machen. Deswegen, Ethik sollte einfach einen Grundbaustein sein und einen die ganze Zeit begleiten. Auch wenn das Produkt dann schon fortgeschrittener ist und man beispielsweise nur noch einzelne Features oder Kleinigkeiten ändert, sollte man sich jedes Mal fragen, was hat das jetzt konkret für Auswirkungen?
Was könnte es auch in Zukunft für Auswirkungen haben? Also wir haben ja schon bestimmte Tools als Designer an die Hand gegeben, auch umgekehrt Um Nutzer besser kennenzulernen, die wir dann auch für ethische Überlegungen nutzen Benutzen können. Was für mich da beispielsweise sehr gut funktioniert, ist das Ethics Canvas.
Das hilft sich eben systematisch Gedanken über die ethischen Auswirkungen zu machen und auch über die Entscheidungen nachzudenken. Und ja, da kann man dann auch mögliche ethische Probleme identifizieren und die dann hoffentlich auch adressieren.
[00:50:26] Frede: Mhm, alles klar, vielen Dank. Und wann hast du persönlich das letzte Mal eine Designentscheidung aufgrund von ethischen Bedenken geändert?
Also
[00:50:36] Veronika: was mir da gerade einfällt, ist jetzt nicht an sich eine konkrete Designentscheidung, aber es war eine Vollüberlegung zu einem Produkt, wo es darum ging, eine Plattform für Mitarbeiter zu gestalten, bei dem sich dann bei Stakeholder-Interviews herausgestellt hatte, es wäre auch gut für die Vorgesetzten unserer Nutzer, eine Art Monitoring mit einzubinden, damit die einen Überblick bekommen, was auch, Zuerst logisch klang weil die ja auch Mitentscheider sind.
Aber da habe ich mir dann auch Gedanken gemacht und versucht ein bisschen weiterzudenken was könnte das für Auswirkungen haben, wenn jetzt zum Beispiel der Vorgesetzte sieht, dass der Job innerhalb einer Woche nicht erledigt wurde, dann hat es natürlich Auswirkungen auch auf das Verhältnis zwischen dem Angestellten und dem Vorgesetzten.
Es setzt den Mitarbeiter womöglich unter Druck und es könnte einfach zu Konflikten führen und könnte wahrscheinlich auch weitgreifendere ähnliche Auswirkungen haben, die man auch so nicht vorhersehen kann. Und auch wenn jetzt zum Beispiel der Vorgesetzte sich nicht ausreichend mit der Thematik auskennt, was der Mitarbeiter da jetzt macht und nicht weiß, wie viel Zeit er dafür benötigt, dann kommt es auch zu Konflikten.
Also ich finde es zeigt einfach, dass man immer einen Step weiterdenken muss, sich weiterführende Gedanken machen sollte, weil es immer auch Auswirkungen haben könnte. Die man einfach nicht auf den ersten Blick hervorsieht.
[00:51:59] Frede: Das ist auf jeden Fall ein schöner Leitsatz, einfach mal ein bisschen weiterzudenken.
Schauen wir mal so ein bisschen in die Grauzone dazwischen. Wo siehst du denn persönlich die Grenze zwischen akzeptabler Nutzer-Innen-Beeinflussung, sage ich jetzt mal, und manipulativen Designpraktiken?
[00:52:17] Veronika: Also ich finde es da sehr schwierig, eine klare Grenze zu ziehen, weil eben auch viel in Grauzone ist.
Und generell bin ich jetzt der Meinung, sobald etwas dem Nutzer schadet Ist es überhaupt nicht akzeptabel. Es ist aber sehr komplex, weil vieles ist eben subjektiv und unvorhersehbar. Und was jetzt beispielsweise gut für den einen ist, ist jetzt schlecht für den anderen. Da habe ich jetzt das Beispiel von Sportmotivations-Apps beispielsweise.
Für den einen ist es wahrscheinlich motivierend, ständig daran erinnert zu werden, sich genug zu bewegen, was dann auch für ihn positive Auswirkungen hat, wenn es zu einem gesünderen Lebensstil führt. Die anderen setzen es aber vielleicht auch unter Druck, was dann auch zu Problemen führen kann, dann auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden auch.
Also was da dann erst eine gute Intention hatte, kann auch negative Folgen haben. Und abgesehen auch davon, dass es den Anbietern auch hier natürlich darum geht, den Nutzer so lange wie möglich auf der Plattform zu halten und Abos abzuschließen, wenn es halt nicht im Interesse des Nutzers ist, ist es für mich nicht akzeptabel.
[00:53:22] Frede: Mhm. Und hast du selber vielleicht mal ein Beispiel von uns, wo du... Das Verhalten von NutzerInnen in eine gewünschte Richtung gelenkt hast?
[00:53:33] Veronika: Das war im Rahmen meiner Bachelorarbeit damals, das waren eben Sportmotivations- und Ernährungs-Apps. Also da habe ich versucht, als Ergebnis eine ethikkonforme Sportmotivations- und Ernährungs-App zu erstellen.
Ich habe dazu auch viel Research betrieben, was ist denn jetzt Gesundheit? Die setzt sich ja aus körperlicher Gesundheit und auch dem psychischen Wohlbefinden zusammen. Es geht halt einfach nicht darum, nur 10.000 Schritte am Tag zu erreichen, sondern da sind halt viel mehr Faktoren die mit einhergehen.
Zum Beispiel was viele Apps haben in dem Bereich, sind auch Kalorienangaben was andere Menschen aber auch sehr unter Druck setzt. Es kann zu Sportzwang führen, Stress auslösen. Da habe ich einfach versucht, dem entgegenzuwirken, keine genauen Kalorienangaben. Ich habe das dann mit einem... Bereich gelöst, der keine genauen Angaben gegeben hat.
Ich habe auch versucht, Meditation in die App mit einzubauen. Der Nutzer konnte angeben, wenn er irgendwo Schmerzen hat oder sich gesundheitlich einfach nicht gut fühlt und dann auch zu Pausen animiert wurde. Also ich habe dann versucht, einfach das Thema Gesundheit ganzheitlich zu betrachten.
[00:54:44] Frede: Ein schöner Ansatz auf jeden Fall.
Klingt nach einer guten Sport-App, sage ich mal. Jetzt nochmal so ein bisschen auf die praktischen Tipps vielleicht. Wie stellst du persönlich sicher, dass deine Designentscheidungen den NutzerInnen zugutekommen und nicht nur den Geschäftsinteressen dienen?
[00:55:01] Veronika: Also einmal, ob sich jetzt eine Technologie positiv oder negativ auf den Nutzer auswirkt, hängt einmal natürlich von dem Design ab, was wir beeinflussen können, aber auch von der Einstellung und auch den Beweggründen von den Nutzern.
Weshalb es umso wichtiger ist, den Nutzer gut zu kennen und auch das Design und die Auswirkungen von unserem Design auch im Laufe der Zeit noch zu testen. Was sonst noch wichtig ist, als Designer sollte ich meine Werte kennen, weil die fließen, auch wenn es unbewusst passiert Passiert natürlich in die Produkte ein, die wir gestalten.
Generell sollten auch ethische Überlegungen und die Bewertung der Auswirkungen Der Technologie Teil des Entwicklungsprozesses sein. Also wie ich vorhin schon gemeint habe, es soll einfach Grundbaustein sein und immer mit berücksichtigt werden. Die Schwierigkeit hierbei ist einfach, dass die Auswirkungen von Design nicht immer vorhersehbar sind und sich auch im Laufe der Zeit ändern können.
Auch Produktvisionen ändern sich im Laufe der Zeit. Deswegen ist es wichtig, dass wir einfach langfristig auch dahinterbleiben.
[00:56:05] Frede: Und jetzt stelle ich mir natürlich auch die Frage, wie kann man das denn alles messen? Also wie kann man den Einfluss deiner Designentscheidungen auf das Verhalten und Entscheidungen der NutzerInnen messen?
Ist das überhaupt messbar?
[00:56:17] Veronika: Das
[00:56:18] Frede: ist eine gute
[00:56:18] Veronika: Frage. Also an sich wie die Nutzer ihre Entscheidungen ändern, kann man ganz klassisch durch A-B-Tests testen. Das habe ich auch mal gemacht, wo ich die Anzahl der Klicks gemessen habe mit dem einen Design im Vergleich zu dem anderen Design, wo ich dann auch herausfinden konnte, wie sich Farbe Form, Größe und Positionierung von Buttons auf die Entscheidungen der Nutzer auswirken.
Aber den Einfluss auf den Nutzer selbst, wie er sich fühlt und was das Designentscheidungstest Und Design für Auswirkungen auf ihn hat, ist es schwieriger zu messen, da es sehr subjektiv ist. Es geht ja auch um das subjektive Wohlbefinden der Nutzer und ist auch für Nutzer wichtig Zu Nutzer unterschiedlich.
Es gibt auch Studien, wo man gemessen hat, dass sich beim Einsatz von Dark Patterns auch die Herzrate erhöht hat. Da wurde das auch gemessen aber es ist jetzt für uns als UX-Designer im Arbeitsalltag nicht so einfach. Also für mich gibt es in dem Bereich auch noch keine klare Vorgehensweise. Wichtig ist einfach hier intensiv Nutzertests durchzuführen.
Da zählt Einmal natürlich die Usability des Produktes dazu zu testen aber was halt auch hier wichtig ist, das Befinden der Nutzer abzufragen, also auch nicht nur zum aktuellen Zeitpunkt, sondern auch längerfristig weil die Experience besteht ja auch nach dem Gebrauch des Produktes fort und auch danach haben wir, also wir haben ja auch einen Einfluss, wie sich der Nutzer nach dem Gebrauch des Produktes fühlt.
Und es ist auch immer wichtig, das große Ganze zu betrachten und sich Gedanken über die möglichen Folgen zu machen, was könnte passieren. Ist auch ein bisschen schwierig, weil wir natürlich nicht in die Zukunft sehen können, aber wir können versuchen, einmal aus der Vergangenheit zu lernen und versuchen uns halt möglichst gut einzufühlen und unser Bestmögliches zu geben.
Und auch wenn wir sehen, dass sich jetzt ein Produkt in eine negative Richtung verändert, dann sollten wir ja handeln und gegensteuern.
[00:58:13] Frede: Und
[00:58:14] Veronika: jetzt vielleicht nochmal so
[00:58:15] Frede: in aller Deutlichkeit Welche Verantwortung trägst du, aber natürlich nicht nur du, sondern auch jeder andere UX-Designer für die langfristigen Auswirkungen deiner Designs auf die Gesellschaft und auch die Umwelt?
[00:58:28] Veronika: Die Verantwortungsfrage ist aus ethischer Sicht gar nicht so einfach zu klären, weil man natürlich sagen kann, bin ich jetzt verantwortlich als Designer oder der, der das entwickelt hat oder auch die Entscheider eben. Ich persönlich sehe mich als Designer schon verantwortlich, da ich ja auch die Richtung des Produkts vorgeben kann und den Kontakt zu den Nutzern habe.
Wir als Designer gestalten Produkte, die auf eine bestimmte Art und Weise benutzt werden sollen. Also das Design des Produktes gibt ja vor, wie es zu benutzen ist. Und ich... Bestimmt teilweise, wie Menschen ihr Leben leben in bestimmten Bereichen. Das heißt, in diese Produkte schreiben wir... Auch unbewusst wenn es ist, unsere persönlichen Werte mit ein.
Da finde ich auch, dass die Macht, die wir mit dem digitalen Design haben, häufig auch einfach unterschätzt wird. Es können aber schon sehr kleine Designentscheidungen große Auswirkungen haben. Da ist auch das Gefährliche einfach, dass Produkte sich auch in der Richtung entwickeln können, für die sie nicht vorhergesehen wurden, wie es auch zum Beispiel jetzt mit dem Facebook-Like-Button war.
Das wurde mit guten Intentionen eingeführt. Das kaufe ich den Designern Auch mal so ab. Was es jetzt aber im Nachhinein für Folgen hatte, wurde einfach nicht beachtet. Deswegen sollte man sich einfach seiner Verantwortung auch bewusst sein und bewusste Entscheidungen treffen. Und das heißt ja nicht immer, dass wir den Nutzer negativ beeinflussen können.
Wir können es ja auch für was Gutes einsetzen. Also wir können ja auch verantwortlich dafür sein, etwas Gutes mit unserem Design erreicht zu haben. Und deswegen finde ich sollten wir das auch machen.
[00:59:59] Frede: Schöne Aussage. Jetzt komme ich aber direkt mit einer wahrscheinlich etwas fiesen Frage. Um die Ecke. Und zwar glaubst du, dass es Situationen gibt, in denen der Einsatz von Dark Pattern gerechtfertigt ist?
Also so ein bisschen klang es ja schon vielleicht gerade an, aber gerne nochmal ausführlicher.
[01:00:16] Veronika: Also Dark Patterns ganz klar nein. Dark Patterns sind definiert als manipulative Techniken, die den Nutzer dazu bringen, Dinge zu tun, die womöglich eigentlich nicht in seinem Interesse lagen. Da geht es meist einfach um Zeit, Aufmerksamkeit oder Geld.
Sobald ein Nutzer so beeinflusst wird, dass ihm Schaden zugefügt wird, ist es ethisch verwerflich. Das Beeinflussen an sich kann aber in manchen Fällen auch von Vorteil sein, wenn es beispielsweise das Wohlbefinden der Nutzer erhöht und es auch der Gesellschaft oder der Umwelt beeinflusst Also da kann es auch mal vorkommen, dass es nicht direkt im Interesse des Nutzers ist, was dann auch wiederum schwer zu bewerten ist.
Ein Beispiel wäre da jetzt, wenn man den Nutzer dazu natschen würde, das Rad zu nutzen statt das Auto, was natürlich besser für die Umwelt ist, aber gegen die Bedürfnisse des Nutzers nach Bequemlichkeit spricht. Und in manchen Situationen kann man auch davon ausgehen, dass der Mensch selber gar nicht weiß, was jetzt gut für ihn ist.
Zum Beispiel wenn man ihn zu einer gesunden Ernährung natschen will, er aber nicht weiß, Was gesund ist. Oder ein anderes Beispiel ist auch bei der Organspende der Opt-in. In den Ländern in denen der Opt-out Standard ist, also man per Default einer Organspende zustimmt, konnten halt einfach mehr als viermal höher der Organspendenraten nachgewiesen werden.
Also in manchen Fällen kann es auch zu guten Outcomes kommen. Es ist aber auch immer die Frage, inwieweit ich als Designer jetzt das Recht habe, mich über den Nutzer zu stellen quasi. Vielen Dank Weil ich persönlich bin auch der Meinung, man sollte dem Nutzer eine bewusste Entscheidungsfreiheit geben.
Aber auch hier ist dann wieder das Problem, wenn man es jetzt genau nimmt, da müsste man dem Nutzer sehr viele Informationen bereitstellen, was dann auch wieder zu einem Information-Overload führt, was wiederum negative Auswirkungen auf den Nutzer hat. Also das ganze Thema ist ziemlich komplex nicht ganz so schwarz-weiß und es gibt kein 100% richtig.
Aber um jetzt zurück zur Frage zu kommen, bewusst Dark Patterns einzusetzen um eigenen Interessen zu folgen die gegen die Interessen der Nutzer der Gesellschaft oder der Umwelt sind, ist ethisch verwerflich.
[01:02:27] Frede: Jetzt ist es ja, es klang ja auch gerade schon so ein bisschen an, immer so ein bisschen eine Drucksituation beziehungsweise eine Paz-Situation.
Wie gehst du denn genau mit diesem Druck um, wenn du Designentscheidungen treffen musst, die kurzfristig profitabel sind, aber langfristig negative Auswirkungen haben könnten?
[01:02:46] Veronika: Also im Business-Kontext versuche ich immer langfristig zu schauen. Kurzfristiger Erfolg bringt einfach wenig, wenn es langfristig negative Auswirkungen hat und es bringt noch weniger, wenn dabei andere zu Schaden kommen.
Und glaubst
[01:03:03] Frede: du, dass es möglich ist, vollständig ethische Designs zu erstellen, die auch den kommerziellen Interessen eines Unternehmens dienen?
[01:03:12] Veronika: Also generell vollständig ethische Designs also quasi perfekt ethische Designs für mich gibt es nicht. Ich habe gerade schon angerissen wie komplex das ganze Thema ist.
Was gut für den einen ist, kann schlecht für den anderen sein. Was gut für Umwelt und Gesellschaft ist, kann wieder gegen die Interessen der Nutzer gehen, kann aber auch miteinander einhergehen. Vielen Dank. Man kann aber versuchen, oder sollte versuchen, es so gut wie möglich zu machen, beziehungsweise negative Auswirkungen zu verhindern.
Und da gibt es auch Belege, dass es langfristig den Unternehmen schadet wenn sie gegen ethische Grundsätze verstößen, wie negative Publicity, Verlust des Vertrauens der Nutzer, bei gesetzlichen Regelungen natürlich auch finanzielle Strafen. Andersrum hat es auch Vorteile, wenn man als Unternehmen ethikkonform handelt.
Also es baut natürlich Vertrauen mit Partnern Kunden und auch Investoren auf, was wiederum auch zu höheren Verkaufszahlen führt. Und auch Mitarbeiter eines Unternehmens werden zufriedener und motivierter, was letztendlich auch die Produktivität steigert.
[01:04:15] Frede: Und wenn es jetzt aber einen Auftraggeber gäbe der unbedingt darauf besteht, manipulative Designstrategien zu verwenden, wie würdest du damit umgehen?
[01:04:27] Veronika: Also ich finde es hier ganz wichtig, zu argumentieren mit Belegen zu kommen und sich nicht kleinreden zu lassen, weil ich finde wir als UX-Designer, also gerade wir sind ja in einer Position, in der wir unsere Stimmen erheben können. Und da komme ich auch wieder auf das Verantwortungsthema zurück. Es liegt in unserer Verantwortung, ob ein Design ethikkonform ist oder ob es negative Auswirkungen hat.
Wir sind die Fachleute in unserem Bereich und deshalb sollte es eine unserer Kernkompetenzen sein, dafür argumentieren zu können. Deshalb finde ich ist es auch äußerst wichtig, dass wir da schon bei der Ausbildung ansetzen und Ethik auch als einen integralen Bestandteil des Berufsbildes zu sehen.
Generell weiß ich, es ist in manchen Unternehmensstrukturen auch gar nicht so einfach, sich da durchzusetzen. Ich hatte es da bis jetzt immer einfacher, weil meine Meinung bisher immer sehr wertgeschätzt wurde und ich bis jetzt auch eher in flacheren Unternehmensstrukturen gearbeitet habe. Was ansonsten noch hilft, ist auch der Code of Conduct der German UPA.
Mit dem kann man auch immer argumentieren und man sagt, ich habe mich dem verpflichtet, dann muss ich so handeln. Da kann ich grundsätzlich nicht dagegen verstoßen.
[01:05:33] Frede: Den Link dazu packen wir euch natürlich, wo auch sonst hin, in die Shownotes. Da findet ihr dann im Übrigen auch den Link zum Arbeitskreis. Da könnt ihr euch dann direkt mal umschauen, ob ihr nicht vielleicht Teil des Arbeitskreises werden wollt, denn ihr freut euch sicherlich immer über neue Mitglieder, oder?
Ja, auf jeden Fall. Und es gibt auch sehr viel zu tun. Sehr gut. Dann vielleicht nochmal abschließend dazu. Wie beeinflusst denn deine persönliche Ethik deine Designentscheidungen im Vergleich zu den Richtlinien und Anforderungen deines Unternehmens? Das
[01:06:05] Veronika: ist eine gute Frage, weil die persönliche Ethik ist ja auch nicht immer die gleiche wie die des Unternehmens.
Mir ist es aber wichtig, auch schon bei der Jobsuche, dass meine persönlichen Werte größtenteils mit denen des Unternehmens übereinstimmen. Weil auch meine persönlichen Werte als Designer quasi in die Produkte mit einfließen. Und wenn es da mal Unterschiede gibt zu denen des Unternehmens versuche ich einfach zu reden, um Wertekonflikte zu vermeiden.
[01:06:34] Frede: Sehr
[01:06:35] Veronika: schön.
[01:06:35] Frede: Dann nochmal ein bisschen mehr in die Praxis bzw. in die Tipps Welche Techniken verwendest du, um das Vertrauen der NutzerInnen In deine Produkte zu gewinnen und vor allen Dingen aufrecht zu erhalten.
[01:06:47] Veronika: Also da vielleicht nochmal als Hintergrund, was jetzt Vertrauen schafft, weil das Vertrauen eines Nutzers in ein System wird einmal durch qualitative Information und gute Usability erhöht, aber auch durch Faktoren wie Transparenz, Verlässlichkeit, aber auch der emotionale Zustand und die moralischen Erwartungen des Nutzers.
Also wenn jetzt ein Nutzer negative Erfahrungen mit einem System gemacht hat, dann steht der Technologie im Allgemeinen etwas skeptischer gegenüber und vertraut ihr weniger. Das heißt, wenn ein System ehrlich ist, kann es die Zufriedenheit der Benutzer erhöhen und auch die Akzeptanz und die allgemeine Nutzung des Systems wird dadurch erhöht.
Ungerechtigkeit beispielsweise kann das Vertrauen senken und den Nutzer dazu bringen, das System weniger zu nutzen. Es ist also auch im Hinblick auf Vertrauen sehr wichtig, ethische Werte in die Produkte einfließen zu lassen. Ist ein System ehrlich, kompetent und benutzerfreundlich, wird auch die Systemakzeptanz und so auch die Nutzung des Systems erhöht.
Welche Rolle spielt denn das visuelle Design bei
[01:07:51] Frede: der Erschaffung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit?
[01:07:53] Veronika: Es spielt eine sehr große Rolle. Die einfachsten Linien können ja schon Emotionen und Bedeutung vermitteln. Man sagt auch, Design ist nicht neutral. Durch die Veränderung der visuellen Komponenten können einfach auch unterschiedliche Wirkungen erzielt werden, wo wir uns auch wieder darüber bewusst sein sollten.
Farbe beispielsweise ist eines der ausdrucksstärksten Design-Elemente wenn es darum geht, Bedeutung zu vermitteln und auch einen psychologischen Einfluss zu haben. Dabei spielt auch die visuelle Hierarchie also die Größe und Positionierung von Elementen eine Rolle. Und wenn es dann um die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit eines Systems geht, ist auch der erste Eindruck von einem System einfach wichtig.
Also wenn die ersten Erfahrungen des Benutzers mit dem visuellen Design, der Navigation, der Textgröße und den Farben einfach schlecht sind, ist die Wahrscheinlichkeit auch geringer dass er dem System vertraut. Daher ist die visuelle Gestaltung ein entscheidender Faktor für Vertrauen. Wenn man dann darüber spricht, wie glaubwürdig ein System ist, da ist dann eher gemeint wie sehr glaubwürdig es wahrgenommen wird.
Also wird ein System als glaubwürdig wahrgenommen, dann ist auch die Intention höher, das System zu benutzen. Da sind Vertrauenswürdigkeit wieder und Kompetenz die Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit eines Systems. Es wird aber auch durch Faktoren wie Ästhetik visuelle Effekte und Benutzerfreundlichkeit beeinflusst.
Also wird ein System... ... als ästhetisch und nützlich wahrgenommen. So wirkt es dann auch glaubwürdig. Was auch mit einspielt, sind die Features von dem Produkt, die den Nutzer bei seinen primären Aufgaben unterstützen oder auch wie sehr ein Produkt jetzt auf den Nutzer zugeschnitten wird, was auch häufig als Pattern eingesetzt wird, um den Nutzer zu beeinflussen.
Es ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren, die wir als Designer beeinflussen können und die sich dann auf den Benutzer auswirken. Das heißt, wir sollten uns dessen auch einfach bewusst sein und wissen, wie wir den Nutzer beeinflussen können, um keine unerwünschten Auswirkungen auf den Nutzer zu verursachen.
Und
[01:10:04] Frede: wie kann man jetzt mit all den Farben Schriftgrößen und so weiter und so fort sicherstellen dass ein Design inklusiv und für alle Nutzenden zugänglich
[01:10:12] Veronika: ist? Da gibt es natürlich einmal die WCAG-Richtlinien, vor allem auch in Bezug auf Farbe. Was aber auch wieder immer wichtig ist, testen, inklusiv testen dass man einfach Tests mit Nutzern durchführt, die unterschiedliche Backgrounds haben, unterschiedliche Einschränkungen, um einfach auch reale Partien zu identifizieren.
Dass man auch Personas inklusiv schon gestaltet und da einfach alle Nutzergruppen mit bedenkt und sich auch regelmäßig Feedback einholen ist auch sehr wichtig, auch von einer vielfältigen Nutzergruppe einfach und das Design dann iterativ überarbeitet. Und das dann kontinuierlich verbessert. Alles klar.
Damit
[01:10:58] Frede: sind wir schon am Ende meiner Fragen angekommen. Veronika, gibt es noch irgendwas, was du gerne mit unserer Community teilen möchtest?
[01:11:05] Veronika: Ja, also ich finde, dass wir uns einfach bewusst sein sollten, was wir für eine Verantwortung als Designer von digitalen Produkten haben, was wir auch für Auswirkungen auf Individuen, Gesellschaft und Umwelt haben, was uns vielleicht im ersten Augenblick gar nicht so bewusst ist.
Deswegen sollten wir immer bewusst gestalten und uns einfach unserer Verantwortung bewusst sein. Und es ist immer ganz wichtig zu testen langfristig zu denken, was hat das jetzt für Auswirkungen, was könnte es für potenzielle Auswirkungen haben und einfach positiv gestalten, um einen positiven Impact zu erzeugen und unsere Macht als Designer auch für etwas Gutes nutzen.
[01:11:49] Frede: Das waren sehr schöne Abschlussworte. Vielen Dank, Veronika, dass du heute bei uns warst und dein Wissen mit uns geteilt hast. Ich hoffe, ihr da draußen konntet jede Menge mitnehmen. Ich konnte es auf jeden Fall und sage damit Tschüssi Ciao und bis zum nächsten Mal. Nachdem Veronika nun wertvolle Tipps und Denkanstöße mit uns geteilt hat, freuen wir uns nun auf ein Kurzinterview mit Klaus Kronau.
Wir sind super dankbar, dass Siemens in diesem Jahr unseren Podcast unterstützt und euch im Rahmen des Sponsorings mit Einblicken in das Unternehmen und deren Herangehensweise versorgt. Klaus, UX-Designer bei Siemens, spricht über Dark Patterns, manipulative Designpraktiken, die die Interessen des Unternehmens über die der Nutzer entstellen.
Er erklärt, wie solche Muster Emotionen wie Anerkennung, Angst und Bequemlichkeit ansprechen und warum es unfassbar wichtig ist, sie zu erkennen. Und er teilt auch, wie er daran arbeitet, Anwendungen nutzerfreundlicher zu gestalten und Vertrauen bei den NutzerInnen aufzubauen. Und dabei wünschen wir euch jetzt ganz viel Spaß.
[01:12:58] Klaus: Nur noch eine Runde Dann bin ich auf dem nächsten Level. Dann höre ich auf. Versprochen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann sind Sie einem Dark Pattern begegnet. Dark Patterns bedienen häufig starke Gefühle wie Anerkennung, Angst und Bequemlichkeit. Dabei stehen die Interessen des Unternehmens und nicht der der Nutzer im Vordergrund.
Dieses Spiel mit Emotionen ist nicht immer leicht zu entdecken, aber wert zu erforschen. Schließlich ist die Humanisierung der Technik einer der wichtigsten Punkte von UX Design und Dark Patterns basieren auf denselben Grundlagen. Mein Name ist Klaus Gronau, UX-Designer bei Siemens und ich arbeite daran, unsere Anwendung nutzerfreundlicher zu machen.
Ich setze mich mit Dark Patterns auseinander um deren Funktionen zu verstehen und im Umkehrschluss herauszufinden, wie wir unsere Nutzer nicht nur emotional ansprechen, sondern auch Vertrauen in unsere Produkte aufbauen können. Dark Patterns versprechen schnelle Gewinne, doch zu einem hohen Preis. Das Vertrauen unserer Kunden und Nutzer in unsere Technik ist wichtiger, denn es gibt immer Alternativen.
[01:13:56] Matthias: Ja, das war unsere gesponserte Message von Siemens. Vielen Dank nochmal, Siemens, für die Unterstützung. Und wir sind mal wieder am Ende unserer Podcast-Folge.
[01:14:04] Frede: Ja, war doch eine kurze knackige Episode, ha?
[01:14:06] Matthias: Super knackig und kurz genau.
[01:14:09] Frede: Ja, wie gesagt, wir freuen uns auf jeden Fall über Feedback. Was sollen wir anders machen?
Was fandet ihr richtig doof Was fandet ihr vielleicht aber auch gut? Und was sollten wir beibehalten? Wir würden uns sehr darüber freuen, das von euch zu lesen.
[01:14:22] Matthias: Genau, so wo wir gerade seid, euch noch einen schönen Tag und ich hoffe, wir hören uns im nächsten Monat wieder. Auf
[01:14:28] Frede: jeden Fall bleibt schön gesund, passt auf euch auf und bis zum nächsten Mal.
[01:14:31] Matthias: Ciao.
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